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Nightshifted

Nightshifted

Titel: Nightshifted Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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nicht so körperlich wahr wie
du, Mensch.«
    Auffordernd schüttelte ich den Mantel. »Wir werden
mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. In dem, was du da anhast, kann ich
dich nicht mitnehmen. Du würdest viel zu viel Aufmerksamkeit erregen.«
    Sie riss mir den Mantel aus der Hand und schnüffelte
am Kragen. »Er stinkt.«
    Da redet die Richtige, dachte ich, als sie ihn
endlich anzog. »Tut mir leid.« Ich streckte die Hand aus und zog ihr die Kapuze
über den Kopf. Die Uhr auf meinem Nachttisch verriet mir, dass es halb sieben
war. »Ist draußen schon Nacht?«
    Sie nickte, wobei sich die Kapuze nicht bewegte. »Ich
bin wach«, erwiderte sie, als wäre das Antwort genug.
    Ich stellte mir vor wie sie – meine einzige Zeugin –
Feuer fangen würde, sich in Stein verwandeln würde oder was auch immer mit
vollwertigen Vampiren geschieht, die den Strahlen der Sonne ausgesetzt werden.
Dann verdrängte ich den Gedanken schnell und half Anna dabei, drei Paar meiner
Socken anzuziehen, damit ihr meine alten Gummistiefel einigermaßen passten. Zum
Schluss bekam sie noch ein Paar Handschuhe. Als ich damit fertig war, sie in
immer mehr Hüllen zu packen, sah sie aus wie ein genervtes Michelin-Männchen.
    Â»Bist du endlich fertig?«, fragte sie, als ich mir
meine verbliebenen Wintersachen anzog.
    In meinem Geist ertönte inzwischen ein griechischer
Tragödienchor, der mich darüber informierte, aus wie vielen Gründen das alles
eine ziemlich schlechte Idee war. Ich würde sterben, sie würde sterben, wir
würden alle sterben … ich schüttelte den Kopf, um meine Gedanken zu klären.
»Gehen wir.«
    Â 
    Die Hauptverkehrszeit
war vorbei, aber am Bahnhof warteten immer noch einige Leute auf den Zug
Richtung Süden. Als er schließlich kam und die Türen sich öffneten, stieg ich
einfach ein, während Anna mir nur zögernd folgte. Galten die Regeln bezüglich
der Einladungen etwa auch für öffentliche Verkehrsmittel? Als sie es
schließlich geschafft hatte, setzten wir uns zusammen auf eine Bank.
    Mit großen Augen sah sie sich im Waggon um und
musterte alles, von den Kaugummiflecken auf dem Boden bis hin zu den
Schnellbahnnetzplänen mit den vielen bunten Linien, die knapp unter der Decke
hingen. Schließlich blieb ihr Blick an einem Plakat hängen, auf dem eine fast
nackte Frau Werbung für Armbanduhren machte, wobei sie einen Arm in einer
Abwehrgeste ausgestreckt hatte, während sie den anderen – der fast vollständig
mit Uhren bedeckt war – gegen die Brust drückte. Anna berührte das Bild, als
rechnete sie damit, dass die Haare echte Haare sein würden, die Haut echte Haut
und der Himmel blau (oder in ihrem Fall wohl eher schwarz). Ich beobachtete sie
aufmerksam, während alle anderen sie bewusst ignorierten, wie das nur
Berufspendler können. Schließlich kam sie zu mir zurück und setzte sich wieder.
    Â»War Mr. November dein Onkel?«, fragte ich sie. Sie
schaute zu mir hoch, doch ihre Augen lagen durch die Kapuze trotzdem noch im
Schatten.
    Â»Sein Name war Yuri.« Damit starrte sie wieder
entschlossen auf den Sitz vor uns.
    Eigentlich dachte ich, unsere Unterhaltung sei damit
beendet, doch dann fuhr sie mit ihrem leicht zischenden Akzent fort: »Wir waren
eine Familie von Dnevnoi, von Loyalen. Bei uns ist es Sitte, dass stets das
erstgeborene Kind, wenn seine Zeit gekommen ist, unserem Thron versprochen
wird. Sie trinken sein Blut, und es wird zu einem der Zverskiye. Das zweite
Kind wird den Tyeni geopfert.« Sie schloss kurz die Augen. »Ich war das
erstgeborene Kind. Koschei war das zweite.«
    Wir schwiegen, als der Zug hielt und sich die Leute
um uns herum durch den Waggon schoben. Als wir den Bahnhof verließen, fuhr Anna
fort: »Meine Eltern wollten ein anderes Schicksal für uns. Als die Revolution
begann, dachten sie, wir wären gerettet. Verschiedene Fraktionen der Zverskiye bekämpften
sich brutal, als die Sozialisten und Marxisten an die Macht kamen. Während
dieser Wirren schickten sie uns mit Onkel Yuri in die Neue Welt, damit wir
beide unserem vorbestimmten Schicksal entkommen konnten.« Sie verschränkte die
Arme vor der Brust als wäre ihr kalt.
    Â»Nachdem wir angekommen waren, dauerte es nicht
lange, bis sie uns gefunden hatten. In Amerika gab es keine Fraktionen, sondern
nur Zver. Und einen Dnevnoi entkommen zu lassen,

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