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Nightside 9 - Wieder einmal Weltenbrand

Nightside 9 - Wieder einmal Weltenbrand

Titel: Nightside 9 - Wieder einmal Weltenbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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Ort, an den man kommt, wenn man alles andere probiert hat. Ein Ort, an dem Gott Gebete erhört und beachtet. Eine Kirche, in der man direkt zu Gott sprechen kann und mit ziemlicher Sicherheit eine Antwort erhält. Man findet Wahrheit und Gerechtigkeit in Sankt Judas, und genau aus diesem Grund meiden die meisten Leute die Kirche wie der Teufel das Weihwasser.
    Nur die wahrhaft Verzweifelten würden hier jemals um Kirchenasyl bitten.
    Daher hätte es mich eigentlich nicht überraschen dürfen, eine ganz bestimmte Person dort vorzufinden, die vor dem groben Steinaltar kniete, den Hunderte von Kerzen erhellten. Ich erkannte ihn sofort und blieb auf der Schwelle stehen. Chandra hielt neben mir inne und sah skeptisch zu dem alten Mann in seiner zerfetzen Robe hinüber.
    „Das“, sagte ich leise, „ist der Dornenfürst. Er war für sehr lange Zeit der mächtigste Mann in der Nightside. Ihr Kastellan und die letzte Berufungsinstanz. Sehr mächtig und sehr angsteinflößend. Er glaubte, Gott habe ihn als den Beschützer der Nightside eingesetzt. Bis Lilith kam und ihn einfach zur Seite schubste, als sei er ein Nichts. Seit damals versucht er, seine wahre Rolle und seinen Sinn und Zweck zu finden. Ich warne Sie. Die Nightside liebt es einfach, Helden zu brechen.“
    „Sie hat Sie noch nicht gebrochen“, entgegnete Chandra.
    „Ganz genau“, antwortete ich.
    Auch wenn wir uns mit gedämpften Stimmen unterhalten hatten, hatte uns der Dornenfürst gehört. Er richtete sich langsam und voller Schmerzen auf, als holten die vielen Jahrhunderte seines irdischen Daseins ihn endlich ein, und wandte sich uns mit einer verwundeten Würde zu. Er besaß nicht länger seinen Stab der Macht, der angeblich aus einem Setzling des Baumes der Erkenntnis gewachsen war. Lilith hatte ihn zerbrochen, als sie den Dornenfürsten gebrochen hatte. Ich kann mich erinnern, wie seine schiere Präsenz einst genug gewesen war, jemanden in die Knie zu zwingen. Jetzt war er nur noch ein Mensch. Irgendjemand hatte ihm das alttestamentarische Prophetenhaar und den Bart auf ein erträgliches Maß zurückgestutzt und er sah aus, als hätte ihm jemand zu essen gegeben. In der Nightside adoptierten die Leute die bizarrsten Haustiere.
    Er kam durch den Mittelgang auf uns zu, wobei er sich jedoch Zeit ließ, und ich nickte ihm respektvoll zu.
    „Hab’ nicht erwartet, Sie hier immer noch anzutreffen“, sagte ich.
    „Ich passe auf die Kirche auf“, sagte er tonlos. „Vielleicht passt sie auch auf mich auf. Das ist oft schwer zu sagen … ich halte sie sauber und achte darauf, dass die Kerzen nicht ausgehen … weil irgendjemand das tun muss, und ich sage mir, es dient dazu, Geduld und Demut zu lernen. Ich warte immer noch auf eine Antwort auf mein Gebet, auf die Frage, die ich Gott gestellt habe. Wenn ich nicht der Verwalter der Nightside bin, was bin ich dann? Was ist mein Sinn und Zweck?“
    „Ist es nicht gerade das, was jeder Mensch von seinem Gott wissen will?“, fragte Chandra.
    „Die meisten anderen Menschen haben nicht jahrhundertelang eine Lüge gelebt, wie das bei mir der Fall war“, sagte der Herr der Dornen.
    „Haben Sie Ihre Macht wiedererlangt?“, fragte ich.
    „Nein“, sagte der Herr der Dornen nüchtern. „Ich bin nur ein Mensch. Manchmal frage ich mich, ob es meine Aufgabe ist, die Antwort selbst herauszufinden, ehe ich meine alte Macht und Autorität wiedererlangen kann. Im Augenblick wäre ich mit einem Zeichen zufrieden. Oder auch nur einer Andeutung.“ Er sah mich gedankenvoll an. „Ich hätte in meine alte Heimat zurückkehren können, in die Welt Darunter. Man hat sie seit dem Ende des Lilithkrieges großteils wieder aufgebaut und bevölkert. Aber es fühlt sich falsch an. Ich hätte zu sehr das Gefühl, mich zu verbergen. Also bleibe ich hier, in der Kirche, die nach dem Schutzheiligen aller hoffnungslosen Fälle benannt ist. Was tun Sie hier, John Taylor? Sind Sie endlich gekommen, um mit Gott zu sprechen, um ihn zu fragen, was Sie sind?“
    „Das weiß ich bereits“, sagte ich. „Das ist ja das Problem.“
    „Wenn ich kurz unterbrechen dürfte“, sagte Chandra. „Ist dies wirklich ein Ort, an dem man direkt zu Gott sprechen kann und eine Antwort erhält? Es gäbe da so viele Dinge, die ich ihn liebend gern fragen würde …“
    „Genau das ist dieser Ort“, wisperte der Dornenfürst. „Spüren Sie es nicht?“
    „Ja …“, sagte Chandra. „Es gibt Orte wie diesen in Indien. Uralte, heilige Stätten, die sich

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