Nikotin
weiß man, woran man ist, und erlebt keine unliebsamen Überraschungen.«
»Richtig, Mrs Leckie. Ich bewundere Ihre Umsicht.«
Unter der Sonne von Sir Charles’ Lob erglühte die K ö chin wie eine Pfingstrose.
»Ich würde auch gern den Mädchen einige Fragen ste l len«, fuhr Cartwright fort.
»Die werden Ihnen nicht mehr sagen können als ich, Sir.«
»Das weiß ich. Ich dachte auch nicht so sehr an Ellis wie an Sir Bartholomew – sein Verhalten an jenem A bend und so weiter. Er war doch schließlich ein guter Freund von mir.«
»Dann erkundigen Sie sich am besten bei Beatrice und Alice. Die letztere servierte bei Tisch.«
»Ja, ich möchte Alice gerne sprechen.«
Da Mrs Leckie jedoch offensichtlich der Ansicht war, dass die Reihenfolge sich nach dem Alter zu richten habe, rief sie zuerst Beatrice Church.
Eine große, hagere Frau mit schmalem, eingekniffenem Mund betrat das Zimmer. Anfänglich wurden ein paar unwichtige Fragen an sie gerichtet, bis Sir Charles g e schickt auf das Verhalten der Hausgäste überlenkte. W a ren sie schrecklich aufgeregt gewesen? Was hatten sie gesagt oder getan?
Jetzt ging Beatrice Church mehr aus sich heraus.
»Miss Sutcliffe brach vollständig zusammen«, erzählte sie. »Ach, sie ist eine sehr warmherzige Dame! Ich wollte ihr einen Kognak bringen oder eine Tasse Tee, aber sie wies alles zurück. Schließlich nahm sie etwas Aspirin. Sie könne bestimmt nicht schlafen, meinte sie. Als ich ihr jedoch am nächsten Morgen ihren Tee servierte, schlief sie sanft und friedlich wie ein kleines Kind.«
»Und Mrs Dacres?«
»Ich glaube nicht, dass diese Dame sich über irgende t was aufregen würde«, erklärte Beatrice abfällig. »Ihr war es nur darum zu tun, möglichst rasch von hier fortz u kommen. Sie sagte, ihr Geschäft könnte leiden. Wie Mr Ellis uns berichtete, betreibt sie in London eine große Schneiderei.«
Schneiderei war ein Gewerbe, und auf ein Gewerbe schaute Beatrice verächtlich herab.
»Wie verhielt sich ihr Gatte?«
»Beruhigte seine Nerven mit riesigen Kognakmengen«, sagte sie noch verächtlicher. »Aber er erreichte eher das Gegenteil damit!«
»Und Lady Lytton Gore?«
»Oh, meine Großtante war bei ihrem Vater in Stellung«, sagte Beatrice, und ihre Stimme wurde sanft. »Sie soll ein reizendes Mädchen gewesen sein. Und wenn sie jetzt auch arm ist, so merkt man ihr sofort ihre Herkunft an. Wahre Vornehmheit wird auch von der Armut nicht u n terdrückt. Auch ihre Tochter ist eine nette junge Dame. Sie kannten beide Sir Bartholomew nicht näher, waren aber nichtsdestoweniger sichtlich betrübt.«
»Miss Wills?«
Etwas von Beatrices Härte kehrte zurück.
»Beim besten Willen könnte ich nicht sagen, was Miss Wills dachte, Sir.«
»Oder was Sie über sie dachten?«, fragte Charles Cart w right. Ein unerwartetes Lächeln huschte über Beatrice’ Wangen. Es lag etwas Schuljungenhaftes in Sir Charles’ Art. Wie sollte sie nicht dem Zauber unterliegen, der Scharen von Theaterbesuchern in seinen Bann gezogen hatte?
»Wirklich, Sir, ich weiß nicht, was ich Ihnen mitteilen könnte!«
»Genau das, was Sie über Miss Wills dachten…«
»Nichts, Sir, nichts. Natürlich war sie nicht…« Beatrice zauderte.
»Na, nur mutig weiter!«
»Ja, sie gehörte nicht ganz zu der Klasse der anderen, Sir. Ich weiß, es ist nicht ihre Schuld«, setzte Beatrice freundlich hinzu. »Doch sie tat Dinge, die eine wirkliche Dame nie getan haben würde. Sie spähte umher, Sir, spähte und lugte.«
Sir Charles tat sein Möglichstes, um eine Erweiterung dieser Aussage zu erhalten, doch Beatrice Church kla m merte sich hartnäckig an die beiden Worte Spähen und Lugen. Die einzige Ergänzung, zu der sie sich nach la n gem Hin und Her überwand, war, dass Miss Wills sich eben um Sachen kümmerte, die sie nichts angingen.
Schließlich gab Cartwright seine fruchtlosen Bemühu n gen auf.
»Der junge Mr Manders kam unerwartet, wie?«, setzte Mr Satterthwaite das Verhör fort.
»Ja, Sir. Er hatte einen Unfall mit seinem Wagen. Ger a de bei dem Einfahrtstor. Es sei ein Glück gewesen, dass es sich gerade dort ereignet habe, bemerkte er später. Alle Gästezimmer waren natürlich besetzt, sodass er sich mit einem Lager auf der Couch des kleinen Studierzimmers begnügen musste.«
»Löste sein Kommen Überraschung bei den Übrigen aus?«
»O ja, Sir.«
Nach ihrer Meinung über Ellis befragt, äußerte sich Beatrice sehr zurückhaltend. Sie habe wenig von ihm gesehen. Sein
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