Nikotin
Mä d chens bisweilen restlos den Kopf verliert – selbst wenn es zuvor nie geschah.«
»Verdammt, Satterthwaite… ich steuere auch auf die Fünfundfünfzig los!«
»Das weiß ich.«
Und vor Mr Satterthwaites freundlich zwinkerndem Blick senkte Charles Cartwright die Lider.
Unverkennbar errötete er…
10
» W ie wär’s mit einer Durchsuchung von Ellis’ Zimmer?«, schlug Mr Satterthwaite vor, nac h dem er das Schauspiel von Cartwrights Verl e genheit ausgekostet hatte.
»Ausgezeichnet, ausgezeichnet!« Eifrig griff Sir Charles die Ablenkung auf. »Ich wollte es gerade selbst anregen.«
»Selbstverständlich hat die Polizei den Raum bereits durchsucht.«
»Die Polizei…!«
Aristide Duval fegte die Polizei geringschätzig zur Seite. Darauf bedacht, seine momentane Verwirrung zu verge s sen, widmete er sich seiner Rolle mit neuer Kraft.
»Die Polizei besteht aus Dummköpfen«, wagte er kühn zu behaupten. »Wonach haben sie in Ellis’ Zimmer g e sucht? Nach Beweisen seiner Schuld. Wir aber werden nach Beweisen seiner Unschuld forschen.«
»Sind Sie sich dessen so sicher?«
»Wenn wir uns in Bezug auf Babbington nicht irren, muss Ellis unschuldig sein.«
»Ja, außerdem…«
Mr Satterthwaite vollendete den Satz nicht. Er war ve r sucht gewesen zu sagen, dass, wenn Ellis ein berufsmäß i ger Verbrecher sei, dessen lichtscheues Treiben Sir Ba r tholomew durchschaut habe, die ganze Affäre unerträ g lich langweilig würde. Doch glücklicherweise erinnerte er sich noch rechtzeitig der langjährigen Freundschaft zw i schen Charles Cartwright und dem Toten und entsetzte sich über die Herzlosigkeit, die er beinahe verraten hätte. Auf den ersten Blick sah Ellis’ Zimmer wenig verhe i ßungsvoll aus. In dem Wandschrank hingen noch seine Anzüge – Anzüge von gutem Stoff und gutem Schnitt, vermutlich Geschenke der verschiedenen Arbeitgeber. Geordnet lag die Wäsche in den Schubladen, und die Schuhe glänzten, blitzblank geputzt, in Reih und Glied auf den Regalen. Demnach schien Ellis in seinem Butle r rock fortgerannt zu sein, was Mr Satterthwaite beme r kenswert fand.
»Jeder, der seine gesunden fünf Sinne beisammenhat, würde einen gewöhnlichen Anzug angezogen haben.«
»Ja, es ist sonderbar… Sieht fast aus, so lächerlich es klingt, als ob er überhaupt nicht fortgegangen sei… Blö d sinn natürlich, so etwas ernstlich zu erwägen.«
Sie setzten ihre Suche fort. Keine Briefe, keine Papiere. Nur eine ausgeschnittene Anzeige über ein Hühnera u genmittel und eine Pressenotiz über die bevorstehende Heirat der Tochter eines Herzogs.
Auf einem Tischchen lag neben einem kleinen Tinte n fass eine Schreibunterlage, aber kein Federhalter. Das Löschblatt war schon alt; die Tintenabdrücke hatte die Zeit verblasst, und mit viel Mühe entzifferten die beiden Herren, als Sir Charles die Unterlage gegen den Spiegel hielt, in dem Strichwirrwarr endlich ein undeutliches ›L. Baken.
»Ellis hat das Löschblatt meines Erachtens nie benutzt«, erklärte Mr Satterthwaite.
»Berührt Sie das nicht merkwürdig?«
»Wieso?«
»Nun, ein Mann pflegt gelegentlich Briefe zu schre i ben.«
»Nicht, wenn er ein Verbrecher ist.«
»Ja, da mögen Sie Recht haben… Also irgendetwas ist wohl doch faul mit ihm, weil er so sang- und klanglos verduftete.« Sie sahen in alle Ecken, sie hoben den Te p pich hoch und spähten unter das Bett. Nichts! Ein Ti n tenklecks neben dem Kamin war das Einzige, was die makellose Ordnung und Sauberkeit störte. Und in zieml i cher Enttäuschung verließen sie den Raum. Ihr Eifer als Detektive war vorübergehend gedämpft. Ja, ja, in B ü chern ließen sich die Dinge immer besser an als in der Wirklichkeit!
Dann wechselten sie noch ein paar Worte mit den jü n geren Mädchen, unter denen Mrs Leckie und Beatrice strenge Zucht hielten, und brachen schließlich auf, um sich zu Mr Satterthwaites Wagen zu begeben, der am Parktor wartete.
»Nun?«, fragte Sir Charles, als sie an der bunten Herbstpracht der Blumenrabatte vorbeischlenderten.
Mr Satterthwaite beeilte sich nicht mit der Antwort. Einzugestehen, dass die ganze Expedition eine Zeitve r geudung gewesen sei, widerstrebte ihm. Im Geist ging er die Aussagen der einzelnen Dienstboten nochmals durch. Wahrlich ein dürftiges Ergebnis!
Wie Sir Charles vorhin richtig geäußert hatte, lautete es: Miss Wills hatte gelugt und gespäht, Miss Sutcliffe war sehr aufgeregt gewesen, Mrs Dacres hingegen gar nicht, und Captain Dacres
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