Nikotin
Mund zuckte.
»Sie dürfen uns nicht zürnen, weil wir Sie so quälen«, fiel Charles Cartwright rasch ein. »Aber sehen Sie, liebe, verehrte Mrs Babbington, es muss einen Grund geben für diesen anscheinend brutalen und sinnlosen Mord.«
»Wenn es ein Mord war«, erwiderte die Witwe leise. »Doch ich schwöre Ihnen, dass ich keinen Beweggrund kenne.«
Ein oder zwei Minuten lang herrschte Schweigen, dem endlich Sir Charles mit der Frage ein Ende machte: »Können Sie uns in kurzen Umrissen den Lebenslauf Ihres Gatten schildern?«
Margaret Babbington besaß ein gutes Gedächtnis für Daten, und die Angaben, die Cartwright nach ihrem Di k tat niederschrieb, lauteten:
»Stephen Babbington, geboren 1888 zu Islington, Devon. Erz o gen auf der St.-Pauls-Schule und in Oxford. 1911 als Diakon in der Gemeinde Hoxton eingeführt. 1914 bis 1919 Hilfsgeistl i cher in Eisington, Surrey, bei Pfarrer Vernom Lorrimer. Heir a tete 1919 Margaret Lorrimer und wurde Pfarrer in Gilling Kent. 1936 nach Loomouth versetzt.«
»Das gibt uns gewisse Anhaltspunkte«, meinte Sir Charles. »Am meisten verspreche ich mir von den Jahren seiner Tätigkeit als Vikar in Gilling. Die früheren Jahre liegen zu weit zurück, als dass sich eine Verbindung mit meinen Dinnergästen herstellen ließe.«
Mrs Babbington zuckte zusammen.
»Um Gottes willen, glauben Sie ernstlich, dass einer von ihnen…«
»Ich weiß nicht, was ich glauben soll«, fiel ihr Cart w right ins Wort. »Bartholomew sah etwas oder erriet etwas, und Bartholomew starb auf die gleiche Art. Und fünf…«
»Sieben«, verbesserte Egg Lytton Gore.
»… von diesen Leuten waren gleichzeitig meine und seine Gäste. Unter ihnen befindet sich der Täter.«
»Aber warum?«, schluchzte Mrs Babbington auf. »W a rum? Aus welchem Grund sollte jemand meinen Stephen getötet haben?«
»Das werden wir herausfinden«, versicherte Charles Cartwright.
14
M r Satterthwaite war mit Sir Charles zum »Kr ä hennest« gekommen. Während sein Gastgeber und Egg Mrs Babbington ihren Besuch absta t teten, genoss er ein Te e stündchen bei Lady Mary, der der kleine Herr sehr gefiel. Trotz ihrer liebenswürdigen Sanftheit gehörte Lady Mary zu den Frauen, die einen klaren Tre n nungsstrich machen zwischen den Personen, die ihnen gefallen und die ihnen nicht gefallen. Er schlürfte den aromatischen Tee aus einer Meißener Tasse, aß ein mikroskopisch kleines Sandwich und plauderte. Bei seinem letzten Besuch ha t ten sie viele gemeinsame Freunde und Bekannte herau s gefunden. Heute begann ihr Gespräch bei demselben Thema, wandte sich aber dann anderen Dingen zu. Mr Sa t terthwaite besaß die sympathische Gabe, die Sorgen anderer Leute anzuhören und sie nicht mit seinen eigenen zu behelligen. Sogar bei seinem letzten Besuch hatte er es durchaus natürlich g e funden, dass Lady Mary ihn in die Bedenken hinsichtlich der Zukunft ihrer Tochter ei n weihte, und auch jetzt sprach sie wieder mit ihm wie mit einem langjährigen Freund. »Egg ist so starrköpfig«, kla g te sie. »Mit Herz und Seele stürzt sie sich in eine Sache. Offen gestanden, Mr Satterthwaite, mir behagt es gar nicht, wie sie sich in diese schmerzliche Ang e legenheit mischt. Es – oh, wie würde Egg über mich lachen! – kommt mir undamenhaft vor.«
Bei diesen Worten flog eine leichte Röte über ihren Teint. Ihre braunen Augen, sanft und naiv, hafteten, um Verständnis flehend, an Mr Satterthwaites Gesicht. Und dieser enttäuschte sie nicht.
»Nun, ganz gefällt es mir auch nicht. Ich weiß, dass dies ein altmodisches Vorurteil ist, aber es lässt sich nicht aus der Welt schaffen. Trotzdem« – er zwinkerte Lady Mary listig zu – »können wir nicht erwarten, dass junge Damen in diesem aufgeklärten Zeitalter daheimsitzen und nähen und bei dem Gedanken an ein begangenes Verbrechen zittern und beben.«
»Mich macht das Wort Mord allein schon krank. Nie, nie hätte ich gedacht, dass dergleichen sich mal in meiner Nähe abspielen könnte.« Sie seufzte tief. »Der arme Sir Bartholomew!«
»Sie kannten ihn nicht sehr gut?«, warf Mr Satterthwaite auf gut Glück hin.
»Nein. Ich habe ihn nur zweimal gesehen. Das erste Mal, als er vor einem Jahr mit Sir Charles an einem W o chenende hierher kam, und das zweite Mal an jenem schrecklichen Abend, als Mr Babbington starb. Daher überraschte mich seine Einladung nicht wenig, die ich nur wegen Egg annahm. Das Kind hat hier nicht viel A b wechslung, und gerade in jenen Tagen
Weitere Kostenlose Bücher