Nikotin
Miss Lytton Gore. »Auf dieser Gesel l schaft wird sich etwas ereignen. Habe ich Recht?«
»Vielleicht, Mademoiselle. Doch erwarten Sie nicht zu viel. Und jetzt lassen Sie mich bitte mit Sir Charles allein, denn es gibt gewisse Dinge, bei denen ich seinen Rat b e nötige.«
Als Egg und Mr Satterthwaite wartend vor dem Fah r stuhl standen, sagte das junge Mädchen voller Begeist e rung: »Es ist wundervoll, Mr Satterthwaite – genau wie in den Detektivgeschichten. Alle Betreffenden werden z u sammengetrommelt, und dann erzählt er uns, welcher von ihnen der Täter ist.«
»Wir werden sehen«, entgegnete ihr Begleiter skeptisch.
Die Einladungen waren für Montagabend ergangen, und Hercule Poirot hatte keine einzige Absage erhalten. Angela Sutcliffe lachte ausgelassen, als sie sich in dem eleganten Salon umschaute.
»Das Wohnzimmer der Spinne, Monsieur Poirot! Und all wir armen kleinen Fliegen sind vertrauensselig hinei n spaziert. Ich bin sicher, Sie werden uns eine blendende Übersicht des Falles geben und plötzlich drohend auf mich deuten: ›Sie sind die Frau!‹ Dann werden die Übr i gen im Chor rufen: ›Ja, ja, die hat es getan‹, und ich br e che in Tränen aus und lege eine Beichte ab, weil ich mich so schrecklich durch Worte beeinflussen lasse.«
»Quelle histoire«, erwiderte Poirot, der mit Flaschen und Glasern hantierte. Jetzt reichte er ihr mit höflicher Ve r neigung ein Glas Sherry. »Wir wollen einen netten gesell i gen Abend zusammen verbringen. Lassen Sie uns nicht von Mord, Blutvergießen und Gift sprechen. Das beei n trächtigt die Stimmung.«
Er gab das zweite Glas Miss Milray, die Sir Charles b e gleitet hatte und mit verbissenem Gesichtsausdruck d a stand.
»Voilà!«, sagte er, als er seinen Gastgeberpflichten nachgekommen war. »Nun bitte nicht mehr an die Gel e genheit, die uns das erste Mal zusammenführte, denken. Essen, trinken und lustig sein, denn morgen sind wir tot! Parbleu – wieder habe ich den Tod erwähnt. Madame« – dies galt Mrs Dacres –, »darf ich mir erlauben, mit Ihnen anzustoßen und Ihnen mein Kompliment über Ihr entz ü ckendes Kleid auszusprechen?«
»Auf Ihr Wohl, Egg«, sagte Sir Charles. »Prost alle r seits!«, rief Freddie Dacres.
Jeder murmelte etwas; jeder war entschlossen, fröhlich und gleichmütig zu erscheinen, aber nur bei Poirot wirkte die Fröhlichkeit echt. Lustig plauderte er weiter: »Ich zi e he Sherry dem Cocktail und tausendmal dem Whisky vor. Das Whiskytrinken verdirbt die Zunge. Um die delikaten französischen Weine schätzen zu können, darf man ni e mals…«
Ein seltsamer Laut hatte ihn unterbrochen – eine Art von ersticktem Schrei. Alle Augen wandten sich Charles Cartwright zu, der mit verzerrtem Gesicht hin und her schwankte. Das Glas entfiel seiner Hand, polterte dumpf auf den Teppich. Blindlings machte er ein paar torkelnde Schritte und brach dann zusammen.
Sekundenlang starrten alle wie betäubt. Jetzt kreischte Angela Sutcliffe auf, und Egg fuhr aus ihrer steinernen Regungslosigkeit auf.
»Charles!«, schrie sie und wollte auf den Erkrankten lo s stürzen, aber Mr Satterthwaite hielt sie sanft zurück.
»O mein Gott!«, hörte man Lady Marys Stimme. »Noch einer!«
»Man hat ihn vergiftet. Vergiftet… vergiftet…« Und die Hände vor das Gesicht schlagend, warf sich Angela Sut c liffe auf ein Sofa und schluchzte und lachte wie eine Irre. Es war schrecklich.
Hercule Poirot zeigte sich der Lage gewachsen. Er kni e te bereits neben dem hingestreckten Mann. Während er ihn untersuchte, zogen sich die Übrigen etwas zurück. Nun erhob er sich, klopfte mechanisch den Staub von den Hosen und ließ seine Blicke über die verstörten A n wesenden schweifen. Nichts war zu hören als Angelas ruhiger gewordenes Weinen.
»Meine Freunde«, begann der Belgier. Doch da schoss Egg auf ihn los.
»Sie Narr! Sie aufgeblasener kleiner Narr! Da behaupten Sie, so groß und unübertrefflich zu sein und all und jedes zu wissen und jetzt lassen Sie so etwas geschehen?… Ein neuer Mord? Unter Ihrer Nase… Wenn Sie in Ihrer Fü r witzigkeit sich nicht eingemischt hätten, wäre dies nicht passiert… Sie sind es, der Charles ermordet hat… Sie, Sie, Sie…«
Nach Worten und Luft ringend, hielt sie inne.
Hercule Poirot nickte ernst und traurig.
»Es ist wahr, Mademoiselle. Ich gebe es zu. Ja, ich habe Sir Charles ermordet. Aber ich, Mademoiselle, bin ein ganz besonderer Mörder. Ich kann töten – und kann wi e der zum Leben
Weitere Kostenlose Bücher