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Nikotin

Nikotin

Titel: Nikotin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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erwecken.« Er drehte sich um, und in seiner munteren, alltäglichen Stimme sagte er: »Eine großartige schauspielerische Leistung, Sir Charles. Ich gratuliere. Vielleicht bedanken Sie sich jetzt für den Be i fall.«
    Mit einem Lachen sprang der Künstler auf die Füße und verbeugte sich spöttisch.
    Egg japste auf. »Monsieur Poirot, Sie… Sie Biest!«
    »Aber weshalb?«
    »Charles«, rief Angela Sutcliffe, »Sie Erzsatan…«
    »Aber weshalb?«
    »Wie?«
    »Was um Himmels willen…«
    Durch eine Handbewegung gebot Poirot diesem Sti m menwirrwarr Einhalt.
    »Mesdames, Messieurs, ich bitte Sie um Verzeihung. Uns e re kleine Posse war nötig, um Ihnen allen und nebenher auch mir eine Tatsache zu beweisen, die meine Vernunft schon als wahr erkannt hatte. Hören Sie mich an: Auf dieses Tablett setzte ich ein Glas, das einen Teelöffel voll reinen Wassers enthielt. Dieses Wasser stellte reines N i kotin dar. Die Gläser sind von derselben Beschaffenheit wie jene, die Sir Charles Cartwright und Sir Bartholomew Strange besaßen. Infolge des schweren Schliffes ist in ihnen eine geringe Menge farbloser Flüssigkeit ganz u n sichtbar. Denken Sie jetzt bitte an Sir Bartholomews Portweinglas. Nachdem es auf die Tafel gesetzt worden war, schüttete jemand – der Butler, das Hausmädchen oder einer der Gäste – heimlich die genügende Menge reines Nikotin hinein. Das Mahl vergeht ohne Zwische n fall, das Dessert wird ‘;■ gereicht, der Portwein eing e schenkt… Sir Bartholomew trinkt – und stirbt.
    Heute Abend haben wir eine dritte Tragödie gespielt, eine Scheintragödie, bei der ich Sir Charles die Rolle des Opfers übertrug. Er spielte sie hervorragend. Nehmen wir aber mal eine Minute an, es wäre keine Posse, so n dern Ernst gewesen. Sir Charles ist also tot. Was wird nun der erste Schritt der Polizei sein?«
    »Das Glas beschlagnahmen«, rief Angela Sutcliffe und wies auf das Glas, das noch auf dem Teppich lag. »Sie, Monsieur Poirot, haben nur Wasser hineingegossen, doch wenn es Nikotin gewesen wäre…«
    »Nehmen wir einmal an, es sei Nikotin.« Poirot berüh r te mit der Fußspitze sanft den kleinen Kristallkelch. »Sie sind der Meinung, Mademoiselle, dass die Polizei durch eine Analyse Spuren von Nikotin in dem Glas finden würde?«
    »Gewiss.«
    »Sie irren sich, Mademoiselle. Man fände kein Nikotin.«
    Die Gäste sahen ihn verwundert an.
    »Jawohl, meine Herrschaften«, lächelte er. »Denn das da ist nicht das Glas, aus dem Sir Charles trank.« Rasch fuhr er mit der Hand in die Tasche seines Rockes und holte aus ihr ein Glas hervor. »Dies ist das Glas, das er benut z te!… Sehen Sie, es ist die einfache Theorie des Zaube r tricks. Die Aufmerksamkeit kann nicht zugleich an zwei Stellen sein. Um meinen Trick auszuführen, muss ich die Aufmerksamkeit anderswohin leiten. Gut. Es gilt, den richtigen psychologischen Moment auszunutzen. Als Sir Charles stürzt, tot hinstürzt, ist jedes Auge im Zimmer auf ihn gerichtet. Jeder Einzelne stürmt vorwärts, um zu ihm zu gelangen, und nicht einer, nicht ein Einziger von allen Anwesenden, blickt auf Hercule Poirot. Und in di e sem Moment vertausche ich, ohne dass es jemand merkt, die Gläser.
    So einen Moment gab es auch im ›Krähennest‹; so einen gab es auch in der Melfort Abtei… und deshalb war nichts Verdächtiges in den Gläsern…«
    »Wer hat sie vertauscht?«, rief Egg dazwischen.
    »Das müssen wir noch herausfinden.«
    »Sie wissen es nicht, Monsieur Poirot?«
    Der Detektiv zuckte die Achseln.
    Ziemlich scheu und unsicher machten die Gäste Miene, aufzubrechen. Ärger und Staunen stritten in ihrer Seele. Was fiel dem Ausländer ein, sie so zu foppen?
    »Noch ein paar Minuten schenken Sie mir bitte«, e r klang Poirots Stimme von Neuem. »Heute Abend haben wir Komödie gespielt. Aber jene Komödie kann auch im Ernst gespielt werden, wodurch sie sich in eine Tragödie verwandelt. Unter gewissen Voraussetzungen kann der Mörder zum dritten Streich ausholen… Ich wende mich jetzt an Sie alle. Wenn irgendeiner von Ihnen etwas weiß – etwas, das nur im entferntesten mit diesem Verbrechen zusammenhängt –, so flehe ich den Betreffenden an, nunmehr zu sprechen. Zu diesem Zeitpunkt sein Wissen für sich zu behalten, ist gefährlich, so gefährlich, dass Tod die Folge sein mag. Deshalb bitte ich dringend: Wenn jemand etwas weiß, so teile er es mir mit…«
    Charles Cartwright hatte den Eindruck, als ob Poirots Appell hauptsächlich Miss Wills gälte.

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