Nikotin
Aber es war ihm kein Erfolg beschieden. Niemand sprach oder antwortete. Hercule Poirot seufzte. Müde sank seine Hand herab.
»Mehr kann ich nicht tun. Ich habe Sie gewarnt und warne Sie zum letzten Mal: Schweigen ist gefährlich.«
Wieder blieb es stumm.
Rasch entfernten sich die Gäste; zurück blieben nur Egg, Sir Charles und Mr Satterthwaite.
Egg Lytton Gore zürnte Poirot noch immer. Sie saß ungewöhnlich still in ihrem Sessel, mit roten Wangen und niedergeschlagenen Augen. Es schien, als miede sie auch Cartwrights Blick.
»Das war verdammt geschickt gemacht, Monsieur Po i rot«, sagte Sir Charles.
»Verblüffend geschickt«, bestätigte Satterthwaite. »Ich würde es glatt bestritten haben, dass man den Tausch unbemerkt vornehmen könnte.«
»Deshalb weihte ich Sie ja auch nicht vorher ein«, sagte Hercule Poirot. »Das Experiment hatte nur Wert vor gänzlich ahnungslosen Zeugen.«
»Haben Sie es nur ausgeführt, um sich und uns von se i ner Möglichkeit zu überzeugen?«, wollte Satterthwaite wissen.
»Nicht allein darum. Ich wünschte auch den Ausdruck auf dem Gesicht einer Person zu beobachten, als Sir Charles zu Boden stürzte.«
»Wer ist diese Person?«, fragte Egg scharf.
»Das soll vorläufig noch mein Geheimnis bleiben.«
»Und was lasen Sie auf dem Gesicht des oder der Betreffenden?«
Poirot wurde ungewöhnlich langsam: »Ich sah einen Ausdruck äußersten Staunens.«
»Wie?« Egg hielt den Atem an. »Heißt das, dass Sie wi s sen, wer der Mörder ist?«
»Wenn es Ihnen beliebt, Mademoiselle, können Sie es so auslegen.«
»Aber dann… dann wissen Sie ja alles.«
»Im Gegenteil. Ich weiß nicht, warum Stephen Ba b bington getötet wurde. Und bis ich das nicht weiß, ve r mag ich nichts zu beweisen. Alles hängt von dem einen ab: dem Beweggrund für Stephen Babbingtons Ermo r dung.«
Jemand klopfte an die Tür, und als Poirot »Herein!« rief, kam ein Hotelpage mit einem Telegramm ins Zimmer. Hercule Poirot riss es auf. Sein Gesicht veränderte sich. Jetzt reichte er das Telegramm Cartwright, und, über de s sen Schulter spähend, las Egg laut vor:
»Bitte mich sofort aufzusuchen. Kann Ihnen wertvolle Auskunft bezüglich Bartholomew Stranges Tod geben. Margaret Rushbri d ger.«
24
S ofort erhob sich eine lebhafte Erörterung. Das Kur s buch wurde um Rat gefragt, und endlich kam man zu der Ansicht, dass der Frühzug dem Auto vorzuziehen sei.
»Nun werden wir wenigstens über jenen Teil des Myst e riums Aufklärung erhalten«, meinte Charles Cartwright. »Denn nach meiner Ansicht hat die Überraschung, die Tollie seinen Gästen bereiten wollte, mit Mrs Rushbri d ger zu tun. Sind wir zu dieser Annahme nicht berechtigt, Monsieur Poirot?«
Poirot betrachtete verdutzt das Telegramm.
»Hierdurch wird die Sache noch verwickelter«, sagte er mehr zu sich als zu seinen Gefährten. »Aber Eile ist nötig höchste Eile.«
Mr Satterthwaite sah dies zwar nicht ein, jedoch aus Höflichkeit pflichtete er Poirot bei.
»Gewiss. Wir werden den ersten Morgenzug nehmen. Besteht übrigens Notwendigkeit, dass wir alle hinreisen?«
»Sir Charles und ich beabsichtigen eine Fahrt nach Gi l ling«, warf Egg ein.
»Die verschieben wir«, ließ sich Cartwright vernehmen.
»Man soll nichts verschieben, Sir Charles. Was sollen wir zu viert in Yorkshire? Massenaufmarsch?… Unsinn! Monsieur Poirot und Mr Satterthwaite fahren nach Yor k shire, und Sir Charles und ich nach Gilling. Dass Sie nach Gilling fahren«, wandte sie sich an den Schauspieler, »ist sehr wichtig. Zu Ihnen, dem Arbeitgeber ihrer Tochter, wird die alte Mrs Milray Vertrauen haben.«
Charles Cartwright sah in Eggs ernstes, glühendes G e sicht. »Gut, ich werde mit nach Gilling fahren.«
Infolgedessen holte Cartwright am folgenden Morgen das junge Mädchen gegen zehn Uhr mit dem Wagen ab, während Poirot und Mr Satterthwaite London schon frühmorgens verlassen hatten.
Es war ein schöner Herbstmorgen, mit einem Hauch von Frost in der Luft. Eggs bedrückte Stimmung hob sich, als sie durch die Landschaft sausten. Hinter Maidstone bog Sir Charles von der Hauptstraße ab und benutzte gewundene Nebenwege, die ihm die Autokarte anzeigte, und kurz nach zwölf fuhren sie in die Dorfstr a ße von Gilling ein.
Ein Dörfchen, weit abseits vom Getriebe der Welt! Es besaß eine alte Kirche, ein Pfarrhaus, zwei oder drei Lä d chen, eine Reihe planlos erbauter Häuser, zwei oder drei neue Bauten und einen sehr hübschen Anger.
Mrs Milray
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