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Nimm dich in acht

Nimm dich in acht

Titel: Nimm dich in acht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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neue graumelierte Perücke besorgt, Teil einer ausgezeichneten Verkleidung, die mit visuellen Mitteln die Konturen seines Gesichts veränderte.
    Kaum konnte er es erwarten, die neue Rolle zu leben, die gewisse Frau zu finden und ihr das gleiche Schicksal angedeihen zu lassen wie Regina, deren Leiche von Steinen beschwert in der verkehrsreichen Fahrrinne der Kowloon Bay ruhte; ihre Geschichte mit der Veronicas zu verschmelzen, deren Knochen im Tal der Könige verrotteten; mit Constance, die Carolyn in Algier ersetzt hatte; mit Monica in London; mit all diesen Schwestern im Tode.
    Ich muß wieder zur See fahren. Aber zunächst wartete noch eine unerledigte Aufgabe auf ihn, um die er sich kümmern mußte. Heute morgen, als er sich erneut die Sendung von Dr. Susan angehört hatte, war er zu dem Schluß gelangt, daß eine der Federn im Wind auf der Stelle beseitigt werden mußte.

    27
    Es war fünfzig Jahre her, seit Abdul Parki nach Amerika gekommen war – ein scheuer, magerer sechzehnjähriger Junge aus Neu Delhi. Er hatte sofort im Geschäft seines Onkels angefangen; seine Aufgabe war es, den Boden zu fegen und den Krimskrams aus Messing zu polieren, der die Regale des winzigen Andenkenladens seines Onkels in der MacDougal Street in Greenwich Village füllte.
    Inzwischen war Abdul Eigentümer des Ladens, aber sonst hatte sich nicht viel verändert. In dem Geschäft schien die Zeit stillzustehen. Sogar das Schild mit der Aufschrift KHYEM GESCHENKSHOP war ein genaues Duplikat des Schilds, das sein Onkel aufgehängt hatte.
    Abdul war immer noch mager, und obgleich er seine Scheu zwangsläufig hatte überwinden müssen, hielt ihn seine natürliche Zurückhaltung auf Distanz zu seiner Kundschaft.
    Die einzigen Kunden, mit denen er sich unterhielt, waren jene, die das Geschick und die Mühe zu schätzen wußten, die er in die kleine Kollektion von ihm selbst hergestellter preiswerter Ringe und Armbänder investierte. Und obgleich er ihn natürlich nie nach seinen Motiven ausgeforscht hatte, dachte Abdul oft an den Mann, der dreimal im Laden erschienen war, um einen der Türkisringe mit der Gravur »Du gehörst mir« zu kaufen.
    Der Gedanke, daß dieser Kunde anscheinend regelmäßig die Freundin wechselte, amüsierte Abdul, der selbst fünfundvierzig Jahre lang mit seiner verstorbenen Frau verheiratet gewesen war. Bei seinem letzten Besuch war dem Mann eine Visitenkarte aus der Brieftasche gefallen.
    Abdul hatte sie aufgehoben und einen kurzen Blick darauf geworfen, dann entschuldigte er sich für seine Dreistigkeit und gab sie ihm zurück. Angesichts der verstimmten Miene seines Kunden hatte er sich erneut entschuldigt und ihn dabei mit Namen angeredet. Sofort erkannte er, daß ihm ein zweiter Fehler unterlaufen war.
    Er will nicht, daß ich weiß, wer er ist, und jetzt kommt er nicht wieder – so hatte Abdul damals bedauernd gedacht.
    Und angesichts der Tatsache, daß mittlerweile ein Jahr verstrichen war, ohne daß der Mann wieder aufgetaucht war, hatte er wohl richtig vermutet.
    So wie sein Onkel vor ihm schloß Abdul den Laden jeden Tag pünktlich um ein Uhr, um zu Mittag zu essen.
    Am Dienstag hatte er das Schild schon in der Hand –
    GESCHLOSSEN – BIN UM ZWEI UHR ZURÜCK - und wollte es gerade in die Tür hängen, als plötzlich sein geheimnisvoller Kunde hereinkam und ihn freundlich begrüßte.
    Abdul lächelte, was selten geschah. »Sie waren lange nicht mehr hier, Sir. Schön, Sie wiederzusehen.«
    »Schön, Sie zu sehen, Abdul. Ich dachte, Sie hätten mich inzwischen längst vergessen.«
    »O nein, Sir.« Er sprach den Mann nicht mit Namen an, um ihn nur ja nicht an den Fehler zu erinnern, den er beim letzten Mal gemacht hatte.
    »An meinen Namen erinnern Sie sich wohl nicht mehr«, sagte der Kunde freundlich.
    Ich muß mich geirrt haben, dachte Abdul. Er hat sich doch nicht über mich geärgert. »Natürlich erinnere ich mich noch, Sir«, sagte er und lieferte ihm lächelnd den Beweis.
    »Ah, bestens«, sagte der Kunde herzlich. »Abdul, stellen Sie sich vor, ich brauche wieder einen Ring. Sie wissen schon, welchen ich meine. Hoffentlich haben Sie einen vorrätig.«
    »Ich glaube, ich habe drei Stück da, Sir.«
    »Vielleicht nehme ich alle drei. Aber ich halte Sie vom Mittagessen ab. Warum hängen wir nicht schon mal das Schild auf und schließen die Tür ab, bevor noch ein anderer Kunde hereinspaziert? Sonst kommen Sie ja nie mehr hier raus, und ich weiß, daß Sie ein Gewohnheitsmensch sind.«
    Abdul

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