Nimm dich in acht
»Herzchen« zu nennen.
Seit der Heirat ihrer Mitbewohnerin lebte Tiffany allein in einem kleinen Apartment im zweiten Stock eines Zweifamilienhauses. Gewöhnlich schlief sie bis zehn Uhr morgens und schaltete dann Dr. Susan ein, während sie im Bett ihre erste Tasse Kaffee trank.
Sie sah es so: »Wenn man gerade keinen Freund hat, ist es ein Trost zu wissen, daß unzählige andere Frauen auch Probleme mit ihren Kerlen haben.« Tiffany war schlank und drahtig, hatte blondgefärbte Haare und schmale, scharfe Augen. Ihre zynische Einstellung dem Leben gegenüber gefiel den einen und stieß andere ab.
Als sie gestern gehört hatte, wie die Frau, die sich Karen nannte, mit Dr. Susan über den Türkisring sprach, der ihr von irgendeinem Kerl auf einer Kreuzfahrt verehrt worden war, mußte sie sofort an Matt Bauer denken, der ihr einen ähnlichen Ring geschenkt hatte. Nach dem Ende dieser Beziehung versuchte sie so zu tun, als ob sie den eingravierten Spruch »Du gehörst mir« albern und schmalzig fände, aber das war nicht die Wahrheit.
Sie hatte heute morgen aus einem Impuls heraus angerufen und fast sofort ihre Andeutung bereut, Matt sei knauserig gewesen, nur weil der Ring nicht mehr als zehn Dollar gekostet hatte. Eigentlich war er ganz hübsch, und sie gestand sich ein, daß sie sich nur deshalb über ihn lustig gemacht hatte, weil Matt nichts mehr von ihr wissen wollte.
Im Laufe des Tages mußte Tiffany immer öfter an den Nachmittag im letzten Jahr denken, den sie mit Matt in Greenwich Village verbracht hatte. Um vier Uhr, als sie sich für die Arbeit zurechtmachte, ihr Haar auftoupierte und sich schminkte, stellte sie fest, daß ihr der Name des Ladens, in dem sie den Ring gekauft hatten, partout nicht mehr einfallen wollte.
»Mal überlegen«, sagte sie laut. »Wir sind ins Village gefahren, haben zuerst in einer Sushi-Bar gegessen und waren anschließend in dem blöden Streifen, den Matt so toll fand. Ich hab’ so getan, als gefiele er mir auch. Kein einziges englisches Wort, bloß lauter Kauderwelsch. Dann sind wir spazierengegangen und kamen an dem Andenkenladen vorbei, und ich sagte: ›Warum gehen wir nicht kurz rein?‹ Dann wollte Matt mir ein Souvenir kaufen.«
Da hat er sich noch so benommen, als ob er mich wirklich mag, dachte Tiffany. Wir wollten uns zwischen einem Messingaffen und einem Tadsch Mahal in Miniaturformat entscheiden, und der Händler ließ uns soviel Zeit, wie wir wollten. Er stand hinter dem Glastresen an der Kasse, als dieser Klassetyp hereinkam.
Er war ihr sofort aufgefallen, da sie sich gerade von Matt abgewendet hatte, der irgendeinen Gegenstand in der Hand hielt und auf dem Etikett las, warum der Artikel angeblich etwas ganz Besonderes war. Der Mann hatte sie zunächst nicht entdeckt, denn sie standen hinter einem Schirm mit aufgemalten Kamelen und Pyramiden. Was er sagte, konnte sie nicht verstehen, doch der Händler holte daraufhin etwas aus dem Glastresen.
Der Kunde hatte nicht schlecht ausgesehen, fand Tiffany, die sich noch recht gut an den Mann erinnern konnte. Sie vermutete, daß er in den Kreisen verkehrte, die sie nur aus den Klatschspalten kannte. Kein Vergleich mit den Volltrotteln, die sich im »Grotto« den Bauch vollschlagen, dachte sie. Sie erinnerte sich an sein überraschtes Gesicht, als er sich umdrehte und sie dort stehen sah. Als der Mann gegangen war, sagte der Händler: »Dieser Gentleman hat schon mehrere solcher Ringe für seine Damenbekanntschaften gekauft. Vielleicht möchten Sie sich so einen Ring auch mal anschauen?«
Tiffany fand ihn hübsch, und Matt konnte ja an dem in die Kasse eingetippten Betrag sehen, daß er nur zehn Dollar kostete, deshalb sagte sie freiheraus, daß sie gern einen hätte.
Dann hat uns der Händler die Gravur gezeigt, erinnerte sich Tiffany, und Matt wurde rot und meinte, das sei schon in Ordnung, und ich dachte, vielleicht ist das ja ein Zeichen, daß ich diesmal einen Mann gefunden habe, von dem ich länger was habe.
Tiffany zog ihre Augenbrauen nach und griff nach der Wimperntusche. Aber dann haben wir Schluß gemacht, dachte sie bedauernd.
Sehnsüchtig blickte sie auf den Türkisring, den sie in dem kleinen Elfenbeinkästchen aufbewahrte, einem Geschenk ihres Großvaters an ihre Großmutter von ihrer Hochzeitsreise zu den Niagara-Fällen. Sie nahm ihn und hielt ihn in die Höhe, um ihn zu bewundern. Ich werde ihn Dr. Susan doch nicht schicken, dachte sie. Wer weiß?
Vielleicht ruft Matt mich irgendwann noch
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