Nimm dich in acht
stelle das Tablett auf Ihren Schreibtisch, Doktor«, sagte sie.
Um zwei Uhr kam eine schwer anorektische dreißig Jahre alte Geschäftsfrau. Es war ihre vierte Sitzung, und Richards hörte zu und machte sich Notizen auf einem Block.
Endlich öffnete die Patientin sich ihm und sprach über die schmerzhafte Erfahrung, als übergewichtiges Kind aufgewachsen zu sein und wie sie sich nie konsequent an eine Diät habe halten können. »Ich habe immer gern gegessen, aber dann sah ich im Spiegel, was ich mir damit antat. Ich fing an, meinen Körper zu hassen, und anschließend haßte ich das Essen, weil es in meinen Augen an allem schuld war.«
»Hassen Sie Nahrungsmittel immer noch?«
»Ich verabscheue sie, aber manchmal denke ich, wie toll es wäre, den Akt des Essens genießen zu können. Ich bin jetzt mit einem Mann zusammen, der mir sehr wichtig ist, und ich weiß, daß ich ihn verlieren werde, wenn ich mich nicht ändere. Er sagt, er sei es leid mitanzusehen, wie ich mein Essen auf dem Teller hin und her schiebe.«
Motivation, dachte Don. Das ist immer der erste große Schritt zur Veränderung. Plötzlich sah er Susan Chandlers Gesicht vor sich.
Um zehn vor drei, nachdem er die Patientin hinausbegleitet hatte, rief er bei Susan Chandler an. Er ging davon aus, daß sie ihre Termine nach dem gleichen Prinzip wie er ansetzte – eine Sitzung à fünfzig Minuten, dann eine Pause à zehn Minuten vor dem nächsten Termin.
Ihre Sekretärin sagte ihm, Susan telefoniere gerade. »Ich warte«, sagte er.
»Leider wartet schon ein anderer Anrufer.«
»Ich lasse es darauf ankommen.«
Um vier vor drei wollte er aufgeben; sein Drei-Uhr-Patient saß bereits im Empfangsbereich. Dann hörte er Susans ein wenig atemlose Stimme. »Dr. Richards?« sagte sie.
»Sie können mich ruhig Don nennen, auch wenn Sie in der Praxis sind.«
Susan lachte. »Tut mir leid. Ich freue mich, daß Sie angerufen haben. Hier ist die Hektik ausgebrochen, und ich wollte Ihnen dafür danken, daß Sie ein so toller Gast waren.«
»Und ich wollte Ihnen für die tolle Gelegenheit zur Selbstdarstellung danken. Es hat meinen Verleger sehr glücklich gemacht, daß ich zwei Tage lang in Ihrer Sendung mein Buch anpreisen durfte.« Er schaute auf seine Uhr. »Mein nächster Patient steht schon auf der Matte, und Ihrer vermutlich auch. Also fasse ich mich kurz. Hätten Sie Lust, heute abend mit mir essen zu gehen?«
»Heute abend geht’s nicht. Ich muß Überstunden machen.«
»Morgen abend?«
»Ja, das wäre schön.«
»Sagen wir, gegen sieben, und ich rufe Sie morgen in der Praxis an, um Ihnen zu sagen, wo.«
Eine feste Verabredung, dachte er. Zu spät für einen Rückzieher.
»Ich bin den ganzen Nachmittag hier«, sagte Susan.
Richards notierte sich die Zeit – gegen sieben –, verabschiedete sich rasch und legte den Hörer auf.
Obgleich er sich beeilen mußte, dachte er noch kurz über den morgigen Abend nach. Er fragte sich, wieviel er Susan Chandler offenbaren sollte.
34
Dee Chandler Harriman hatte den Zeitpunkt ihres Anrufs bei Alex Wright in der Hoffnung gewählt, ihn zu Hause anzutreffen. Sie hatte um Viertel vor vier vom Büro der Modeagentur aus telefoniert. In New York war es Viertel vor sieben, eine Zeit, zu der sie Alex daheim vermutete.
Als er sich nicht meldete, dachte sie, daß er vielleicht zum Essen ausgegangen wäre und im Laufe des Abends versuchen würde, sie zu erreichen.
Von dieser Hoffnung beschwingt, fuhr Dee von der Arbeit direkt zu ihrer Eigentumswohnung in Palos Verdes; dort bereitete sie sich um sieben Uhr lustlos eine Mahlzeit aus Rühreiern, Toast und Kaffee zu. In den vergangenen zwei Jahren war ich abends kaum zu Hause, dachte sie.
Ohne Jack ging es einfach nicht. Ich mußte Menschen um mich haben. Aber heute abend, so stellte sie fest, war sie eher gelangweilt und rastlos als einsam.
Ich bin die Arbeit leid, gestand Dee sich ein. Eigentlich habe ich Lust, wieder nach New York zu ziehen. Aber nicht, um mir dort einen anderen Job zu suchen. »Ich kann nicht mal ein anständiges Rührei zubereiten«, beschwerte sie sich laut, als sie sah, daß die Platte zu heiß war und das Ei braun wurde. Sie erinnerte sich, wie gern Jack sich in der Küche zu schaffen gemacht hatte. Noch etwas, das Susan besser kann als ich, dachte sie. Sie ist eine gute Köchin.
Aber dieses Talent war nicht in jedem Fall erforderlich.
Die Frau, die Alex Wright heiratete, würde sich über Rezepte und Einkaufslisten nicht den Kopf
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