Nimm dich in acht
einfach um eine Verabredung bat? Ist das denn ein Verbrechen?«
Joey hatte geschildert, wie Dion Tiffany angemacht und ihre Hand gepackt hatte. Als sie ihn abschütteln wollte, habe er noch fester zugegriffen. »Sie hat aufgeschrien, und er wollte nicht loslassen, als sie sich loszureißen versuchte«, sagte er.
Sanchez schüttelte den Kopf. Eine Anklage wegen Belästigung hätte gute Aussichten auf Erfolg, nicht aber eine Anklage wegen Mord, dachte er. Gegenwärtig durchforstete eine ganze Mannschaft den Müllberg in der Tonne, die sie vom Parkplatz des ›Grotto‹ entfernt hatten.
Er hielt sich die Daumen, daß sie dort die Mordwaffe finden würden.
Seine zweite große Hoffnung war, daß jemand bei der Hotline anriefe, die sie eingerichtet hatten, und zwar mit etwas Konkreterem als reinen Verdachtsmomenten. Der Eigentümer des ›Grotto‹ hatte eine Belohnung von zehntausend Dollar für Informationen ausgesetzt, die zur Überführung von Tiffany Smith’ Mörder führten. Und für das Gesindel, das wußte er, mit dem Sharkey verkehrte, waren zehntausend Dollar dickes Geld. Die Hälfte von ihnen hingen an der Nadel. Die meisten dieser Penner würden ihre eigene Mutter für ein bißchen Stoff verkaufen, dachte Pete, ganz zu schweigen von zehntausend Dollar.
Um halb sieben erhielt er dicht hintereinander zwei wichtige Anrufe.
Der erste kam von einem Informanten, der sich Billy nannte. Heiser flüsternd berichtete er Pete, daß Sharkey nach dem Rausschmiß aus dem ›Grotto‹ in ein Lokal namens ›Lamps‹ gegangen war. Dort hatte er angeblich ein paar Schnäpse gekippt und dem Barkeeper und einem anderen Kerl gesagt, er wolle zurückgehen und es der Mieze, die ihn runtergeputzt hatte, heimzahlen.
Das ›Lamps‹, dachte Pete. Ein heruntergekommener Schuppen. Und nur fünf Minuten vom ›Grotto‹ entfernt.
»Wann ist er dort weggegangen?« fuhr er Billy an.
»Um fünf vor zwölf. Er sagte, die Mieze habe um Mitternacht Schluß.«
»Gut gemacht, Billy«, meinte Pete fröhlich.
Wenig später rief der Leiter der Mannschaft an, die den Inhalt der Mülltonne durchforstete. »Pete, erinnerst du dich an den Türkisring, den wir suchen sollten? Wir haben ihn. Er steckte mitten in einem Klumpen Lasagne.«
Na und? dachte Pete. Es steht doch fest, daß Tiffany ihn nicht von Sharkey bekommen hat. Aber wenigstens kann ich Susan mitteilen, daß wir ihn gefunden haben.
70
Nachdem sie Justin Wells im Krankenhaus erreicht und sich in seiner Wohnung mit ihm verabredet hatte, holte Susan sich am Tresen eines Schnellimbisses in der Nähe ihrer Praxis einen Hamburger, Pommes frites und Kaffee.
So esse ich am allerliebsten, dachte sie ironisch und erinnerte sich an die köstlichen Gerichte, die sie in letzter Zeit mit Alex Wright und Don Richards zu sich genommen hatte. Und ich wette zehn Dollar gegen einen Donut, daß Dee es schafft, sich heute abend von Alex zum Essen einladen zu lassen.
Sie nahm eine Fritte, tauchte sie in Ketchup und aß langsam. Es sättigt, dachte sie, und es vertreibt einen Teil der Bitterkeit darüber, daß meine große Schwester wieder mal hinter einem Mann her ist, der Interesse an mir gezeigt hat.
Es geht nicht darum, daß ich viel für Alex empfinde, überlegte sie, als sie von dem Hamburger abbiß. Dafür ist es noch viel zu früh. Nein, es geht um Fairneß und Loyalität und all die anderen altmodischen Tugenden, die in unserer Familie scheinbar aus der Mode gekommen sind. Nur zu deutlich spürte sie die Gekränktheit, die sie angesichts des Verhaltens ihrer Schwester empfand.
Als der Kloß in ihrem Hals immer größer wurde und sie wußte, daß ihr gleich Tränen in die Äugen schießen würden, schüttelte sie den Kopf und dachte verächtlich: Jetzt komm schon, du Heulsuse, reiß dich zusammen.
Sie trank einen großen Schluck Kaffee, dann griff sie schnell zu ihrem Wasserglas. Es geht doch nichts über eine Verbrennung zweiten Grades, wenn man sich von Selbstmitleid kurieren will, dachte sie.
Im Grunde ist es nicht die Sache mit Dee, die mir zusetzt, sagte sie sich, während sie aufaß. Es ist Tiffany, dieses arme, traurige Mädchen. Sie sehnte sich danach, geliebt zu werden, und jetzt wird sie nie mehr die Chance dazu haben. Solange Pete Sanchez mir nicht ein unterschriebenes Geständnis von dem Kerl zeigt, den sie verhaftet haben, lasse ich mir nicht ausreden, daß ihr Tod etwas mit dem Türkisring zu tun hatte und nicht damit, daß ein Typ aus dem Restaurant hinausbefördert
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