Nimm doch einfach mich
Dr. Janus ganz vernünftig zu erklären, warum sie abgehauen war, würde sie vielleicht einsehen, dass ihr Verhalten völlig normal war und sie keine zwanzig Stunden Zwangstherapie brauchte. »Ich hab ihn zwar nicht gefunden, aber ich hatte auch allein eine gute Zeit. Es war toll, eine neue Stadt zu entdecken …«
»Verstehe, aber wonach haben Sie gesucht ?«, fragte Dr. Janus erneut, als würde sie in einer Wiederholungsschleife feststecken.
»Ein Abenteuer, glaube ich. Ich hatte einfach Lust, mal spontan zu verreisen.« Baby runzelte die Stirn. Das hörte sich irgendwie ziemlich unausgegoren an. »Ich glaube, ich will damit sagen, dass ich es für eine gute Möglichkeit hielt, mich selbst zu finden.« Na also! Das klang doch schon eher nach einem erfolgreichen Therapiegespräch.
»Ich habe da eine andere Theorie.« Dr. Janus' Stimme stieg vor Aufregung wieder um eine Oktave. »Ich glaube nämlich vielmehr, dass Sie nach Ihrem Vater gesucht haben!«
Baby blinzelte. Wie bitte? Manchmal hörte sie sich Edies selbst aufgenommene Uralt-Kassetten an, um herauszufinden, ob vielleicht einer der Songs darauf von ihrer Mutter handelte – nur für den Fall, dass ihr Vater irgendein superberühmter Rockstar aus der Hippieära war. Aber ansonsten fragte sie sich nur selten, wer er gewesen sein könnte.
»Nein. Ich habe Mateo gesucht«, widersprach sie bestimmt. Sie setzte sich kurz entschlossen auf und schwang die Beine von der Couch. Ließen gute Therapeuten ihre Patienten nicht selbst die Antworten finden?
Dr. Janus stieß einen schweren Seufzer aus und wie aufs Stichwort verwandelte sich das Meeresrauschen in grollende Gewitterklänge. Ein künstlicher Donnerschlag ertönte. »Mir scheint, Sie verbringen mehr Zeit mit der Jagd auf Jungs als damit, sich selbst zu entdecken. Welche Gefühle löst das in Ihnen aus?« Dr. Janus' Stift schwebte über ihrem Notizbuch, als wäre sie eine Protokollantin bei Gericht.
Baby seufzte frustriert.
»Sie blocken ab«, behauptete Dr. Janus mit sanfter Strenge. »Aber das ist in Ordnung. Sie sind hier in Sicherheit. Sie müssen nicht reden. Sie können auch einfach nur daliegen, bis die Stunde vorbei ist.« Sie betrachtete ihre im Nude-Look lackierten Fingernägel.
»Wäre das nicht verschwendete Zeit?«, fragte Baby irritiert. Wenn sie sowieso nur rumlag, würde sie das lieber zu Hause in ihrem eigenen Bett tun, vielen Dank auch.
»Ganz und gar nicht.« Dr. Janus riss ihre blauen Augen auf, und Baby bemerkte, dass sie leicht schielte. Das eine Auge verharrte auf Baby, während das andere auf die Notizen hinunterblickte. Es war ein extrem befremdlicher Anblick. »Sie müssen herausfinden, was Sie innerlich antreibt. Und das wird ein Weilchen dauern«, erklärte die Therapeutin sachlich. »Sie werden vermutlich jeden Tag kommen wollen«, schlussfolgerte sie und klappte ihr schma les, in Leder gebundenes Notizbuch zu.
»Jeden Tag?«, fragte Baby entsetzt. Worüber sollte sie denn jeden Tag mit dieser Frau reden?
»Wir werden gemeinsam eine Reise in Ihre Psyche unternehmen.« Dr. Janus klatschte begeistert in die Hände, als könnte sie es kaum erwarten. »Wer weiß? Eine meiner Patientinnen kommt schon seit zwanzig Jahren zu mir. Sie glauben ja gar nicht, wie viel wir gemeinsam schon erreicht haben.« Sie nickte vielsagend.
»Kann ich mir das vielleicht erst noch mal überlegen und Sie dann anrufen?« Baby stand abrupt auf, ohne die Antwort abzuwarten, und stürmte hinaus.
»Das Tor zur unterbewussten Erkenntnis lässt sich nicht so einfach öffnen!«, rief Dr. Janus ihr hinterher. Baby rannte den Gang entlang, fuhr mit dem Lift nach unten und stürzte an einem verdutzten Portier vorbei nach draußen.
Es lebe die Freiheit!
rien de rien
»Ich brauch dringend ein Brazilian Waxing – kommt jemand mit?«, fragte Sarah Jane Jenson ihre Mitschülerinnen Jiffy Bennett, Genevieve Coursy und Jack Laurent, als sie am Freitag aus dem Schulgebäude traten.
Jack hätte am liebsten die Augen verdreht. Wozu brauchte Sarah Jane, die seit dem Sommercamp in der Achten keinen Freund mehr gehabt hatte und auch nicht vorhatte, in nächster Zeit am Strand zu liegen, bitte ein Brazilian Waxing? Eine Gruppe Zehntklässlerinnen, die auf dem Treppenabsatz der Constance stand, schaute gespannt zu ihnen rüber, begierig darauf, Jacks Antwort zu hören.
»Ich kann leider nicht«, log Jack und wühlte in ihrer riesigen blauen Balenciaga-Tasche nach ihrem Päckchen Merits. Nachdem sie sich eine
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