Nimm doch einfach mich
beschloss dann aber, dass es eigentlich okay wäre, wenn sie hier unten was rauch ten. Außerdem konnten sie nicht zu viel Chaos anrichten, wenn er bei ihnen blieb und die Oberaufsicht behielt.
»Hey! Schaut euch den hier mal an! Geil, was?« Vince kam mit einem vergoldeten Gehstock in die Halle, den er offenbar in Lord Sterlings Arbeitszimmer gefunden hatte. Er hatte seine Schuhe ausgezogen und fand es offenbar spaßig, in Socken über den blank polierten Boden zu rutschen.
»Stell den sofort wieder zurück!«, schrie Rhys erschrocken und riss Vince den Stock aus der Hand. »Ich meine … gib ihn mir, ich kümmere mich darum. Hey, lasst uns doch einfach nach oben gehen – da haben wir ein Gewächshaus.« In seiner Stimme schwang leise Panik mit. »Mir nach!«, rief er und führte den bunten Haufen zur Treppe.
Das Gewächshaus war ein kleiner Glasaufbau auf dem Dach, den seine Mutter bei ihrem Einzug eigens hatte errichten lassen. Sie nutzte es nicht nur, um ihrer persönlichen Gärtnerleidenschaft zu frönen, sondern gelegentlich auch, um stimmungsvolle Aufnahmen für ihre Show zu drehen. Im Moment züchtete sie dort eine alte Tomatensorte für »Tolle Tomaten« – ihre jährliche Herbstsendung.
»So, da wären wir«, sagte Rhys, als sie auf der Dachterrasse angekommen waren, die von einer hohen Mauer geschützt wurde. Hier waren sie vollkommen unbeobachtet, und es gab sogar ein paar Heizstrahler, sodass niemand von ihnen reinmusste, selbst wenn es nachher kälter werden sollte.
»Cool!« Lucas riss sofort die Tür zum Gewächshaus auf.
»Nicht!«, rief Rhys und betrachtete voller Sorge die in Hydrokultur angelegten Tomatenbeete, die die komplette Länge des Gewächshauses einnahmen.
»Oh mein Gott, das sind ja Tomaten!«, kreischte Malia entzückt.
»Ja, aber es ist ganz schön warm und stickig da drin. Kommt lieber hier rüber!« Rhys versuchte die ganze Truppe irgendwie auf die andere Seite der Terrasse zu lotsen, wo bequeme Clubsessel und riesige Pflanzenkübel mit Chrysanthemenbüschen standen.
»Nein, Mann, hier fließt die Magie«, entgegnete Lucas und hielt ihm einen Joint hin. »Willst du?«
Rhys näherte sich ihm zögernd. Solange er die Bande im Auge behielt, würden sie schon nichts Schlimmes anstellen können, beruhigte er sich. Und wenn sie erst mal schön einen gekifft hätten, würden sie wahrscheinlich sowieso nur noch entspannt abhängen wollen. Er nahm Lucas den Joint aus der Hand und machte einen tiefen Zug. Ahh, schon viel besser. »Möchtest du?«, fragte er Lisa und hielt ihr die Tüte hin. Sie trug einen zerlöcherten Rock, der ihre unrasierten Beine zeigte, und kicherte, als sie den Joint entgegennahm.
»Schaut euch dieses Teil an!« Lucas pflückte eine der Tomaten und rollte sie ehrfürchtig auf seinem Handteller hin und her. »Sie ist so schön und irgendwie so empfindlich. Wie geschaffen, um sie zu zerquetschen.« Er streckte sie Rhys hin.
»Ja, zerquetsch sie!«, flüsterte Malia und starrte wie hypnotisiert auf die Tomate in Rhys' Hand. Alle schauten ihn gespannt an. Irgendwie weckte das Erinnerungen an seine Zeit als Kapitän der Schwimmmannschaft, als seine ganzen Teamkollegen zu ihm aufgeschaut hatten. Er drückte vorsichtig zu und beobachtete, wie sich sein Daumen in die rote Haut der Tomate grub, bis sie plötzlich platzte und ihren Saft auf sein T-Shirt spritzte.
»Yeah!«, jubelte Lucas und klatschte Vince ab. »High Five, Alter.«
Mit Betonung auf high …
»Scheiße – das war wunderschön«, sagte Lucas, immer noch ganz gefangen von der zerquetschten Tomate.
Lisa strich über Rhys' mit Tomatensaft bekleckerten Arm. »Krass, wie du die Tomate gehalten hast und so, und dann hast du einfach zugedrückt, und splatsch ! – da war sie auf einmal, na ja, da war sie Matsch. Eine zermatschte Tomate. Vielleicht sollte ich einen Song darüber schreiben«, sinnierte sie vor sich hin. Rhys nickte nachdenklich und dachte daran, wie Lisa bei ihrer ersten Begegnung Ukulele gespielt hatte.
»Wir könnten ihn auch zusammen schreiben«, bot er an. Lisa nickte langsam.
»Ich geh schnell meine Ukulele holen. Sie ist noch unten. Hast du Lust, mitzukommen?« Lisa sah ihn mit flatterndem Augenaufschlag an. Offensichtlich flirtete sie mit ihm. Rhys überlegte. Sein Kopf fühlte sich total benebelt an. Lisa war nicht Kelsey. Sie trug keine süßen, eng anliegenden Kleider und rasierte sich weder die Beine noch bürstete sie sich die Haare oder benutzte Deo. Aber war daran etwas
Weitere Kostenlose Bücher