Nimm doch einfach mich
ihre Stadtvilla schon seit der Mittelstufe regelmäßig als Party-Location herhalten musste.
Nachdem Hugh ihm die Nummern verschiedener Partyaufräumdienste gegeben hatte, erledigte Rhys ein paar An rufe und fühlte sich anschließend gleich ein bisschen besser: In einer Stunde würden mehrere Putztrupps vorbeikommen. Trotzdem hatte er keine Lust, nach Hause zu gehen. Die geschändeten Tomaten würde kein Troubleshooter der Welt wieder hinbekommen.
»Meine Mutter wird mir das Fell über die Ohren ziehen«, sagte er seufzend zu Owen.
»Gib ihr einfach etwas Zeit, wieder runterzukommen. Wenn du magst, kannst du so lange bei mir unterkriechen«, bot der ihm zaghaft an.
»Echt?«, fragte Rhys und sah ihn an.
Bilderbuch-Buddys, Teil II?
uptown girl
Jack stand in der Bank Street und blickte zum Erkerfenster einer dreistöckigen Stadtvilla im klassizistischen Stil auf. Es war das Haus ihres Vaters, dessen schlohweißen Schopf sie durchs Fenster blitzen sah. Er saß offensichtlich gerade mit seiner neuen Familie am Esszimmertisch. Nachdem sie J.P. gesagt hatte, dass sie nicht länger im Loft leben konnte, hatte sie sofort ihre Sachen gepackt und sich auf den Weg ins West Village gemacht. Sie hatte darauf verzichtet, ihrem Vater vorher Bescheid zu geben, weil es einfach zu kompliziert gewesen wäre, ihm die ganze Situation am Telefon zu erklären. Außerdem hatte sie ihn nicht bitten wollen, sie bei sich aufzunehmen, sondern gehofft, dass er alles verstehen würde, wenn sie mit ihren Koffern vor seiner Tür stand.
Aber jetzt, wo sie hier war und durch das Erkerfenster beobachtete, wie ihr Vater mit seiner glücklichen Familie zu Abend aß, brachte sie es nicht über sich, zu klingeln. Sie konnte ihrem Vater nicht gestehen, dass er recht gehabt hatte und dass sie seine Hilfe brauchte. Sie würde es nicht ertragen, mit ihren Zwillingsstiefschwestern und ihrer nur acht Jahre älteren Stiefmutter Rebecca zusammenzuleben.
Sie sank auf den Stufen vor der Tür in sich zusammen und spürte, wie die Kälte durch ihre Röhrenjeans von Citizen kroch. Warum war sie bloß aus den Cashman-Lofts ausgezogen?
Seufzend holte sie ihr Handy heraus und fragte sich, wen sie anrufen könnte. Es gab natürlich immer noch Genevieve, aber das Apartment, in dem sie wohnte, war winzig, und ihre Mutter – eine Schauspielerin, die mittlerweile nur noch in billigen Fernsehdramen mitspielte –, war unglaublich laut und peinlich. Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen. Während Jack noch mit sich verhandelte, ob sie mit einer hysterischen und egozentrischen Mutter zusammenleben konnte, mit der sie noch nicht mal verwandt war, klingelte ihr Handy.
»Hallo?«, flüsterte sie, die Sprechmuschel an die Lippen gedrückt. Sie wollte auf keinen Fall, dass eines der neugierigen Stiefbälger auf sie aufmerksam wurde und aus dem Fenster schaute.
»Hey! Hier ist Avery.« Ihre Stimme klang putzmunter, als hätte sie drei Dean&Deluca-Lattes hintereinander getrunken. Wie kam es, dass Avery sich nicht genauso verkatert fühlte wie sie.
»Wie geht's dir?«, fragte Jack etwas verhalten. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass sie gestern Nacht gemeinsam von der Eröffnungsparty der Lofts abgehauen waren und in einer Spelunke mit einer Horde dienstfreier Cops gebechert hatten. Obwohl sie zugeben musste, dass die Aktion ziemlichen Spaß gemacht hatte.
»Gut. Ein bisschen verkatert vielleicht«, kicherte Avery gut gelaunt ins Telefon. Jack stellte sich vor, wie sie in ihrem traumhaften Penthouse in der Fifth Avenue saß, und fühlte sich plötzlich schrecklich klein und einsam. »Wie geht's dir? Hast du das Loft endlich mal für dich allein?«
»Ähm …« Jack zögerte. »Ich bin ausgezogen. Es war einfach …« Was? Zu schön? Zu elegant? »Es hat nicht funktioniert.« So, jetzt war es raus. Irgendwie wurde ihr erst in dem Moment, in dem sie es ausgesprochen hatte, so richtig bewusst, was sie eigentlich getan hatte. Sie war ohne zwingenden Grund aus dem umwerfendsten Apartment ausgezogen, in dem sie wahrscheinlich jemals wohnen würde. Sie hatte J.P. von sich gestoßen, obwohl sie eigentlich immer noch zusammen waren. Sie hatte sich ihr ganzes verdammtes Leben versaut.
Sie spürte, wie es ihr die Kehle zuschnürte, aber sie wollte auf keinen Fall am Telefon heulen. Stattdessen wickelte sie sich eine kastanienbraune Strähne um den Zeigefinger und steckte sich das Ende in den Mund. Es war eine unschöne Angewohnheit, die sie normalerweise unter Kontrolle
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