Nimm mich jetzt!
zu verlassen. Sie wollte auf keinen Fall auffallen. Als sie in den Rückspiegel blickte, sah sie einen schwarzen Audi in der Nähe von Romans Haus stehen. Der war ihr eben nicht aufgefallen. Aber es schien niemand drinzusitzen. Verfolgte John sie schon wieder? Sie entfernte sich, aber der Wagen folgte ihr nicht.
Es war einfach nicht zu leugnen. Es war Heiligabend.
Diana wollte diese ganze Sache ignorieren, scheiterte aber kläglich. Im Radio, im Fernsehen, überall plärrte ihr nervtötende Weihnachtsmusik entgegen. Der Hausmeister hatte den Hausflur geschmückt und im Garten hinter dem Haus einen Weihnachtsbaum aufgestellt. Selbst die Frau am Kiosk, wo Diana noch schnell ein paar Kleinigkeiten besorgte, konnte es nicht lassen, ihr mehrfach „Fröhliche Weihnachten“ zu wünschen. Nun war es dunkel, aber die Häuser in ihrer Straße waren hell erleuchtet und im Haus roch es nach frisch gebackenen Plätzchen und Gänsebraten. Die Glocken der nahegelegenen Kirche läuteten und Diana hätte am liebsten geschrien. Noch besser wäre vielleicht eine Kettensäge, mit der sie ein paar geschmückte Weihnachtsbäume niedermähen könnte. Sie machte dem Grinch heute alle Ehre! Mehrfach war sie kurz davor gewesen, zu Sylvia zu gehen, aber was hätte das bringen sollen. Es war zu viel Schlimmes gesagt worden und sie hatten sich halt auseinandergelebt. Wahrscheinlich war Sylvia sowieso bei ihrer Mutter.
Ihre Verzweiflung wuchs immer weiter an, doch dann kam ihr die rettende Idee. Araber waren keine Christen. Sie feierten Weihnachten nicht. Arbeiten konnte Roman auch nicht sein. Das Restaurant hatte zu, die Wahrscheinlichkeit eines Werbeauftrages an Heiligabend war auch sehr gering. Blieb noch die Callboy- Tätigkeit, aber auch in dieser Hinsicht rechnete sich Diana große Chancen aus, dass er heute freihatte. Sie griff zum Handy und wählte seine Nummer. Die Mailbox sprang sofort an. Wahrscheinlich rechnete er nicht mit einem Anruf an Weihnachten. Diana holte ihren Mantel. Dann musste sie eben einen Uberraschungsbesuch machen.
Sylvia starrte traurig aus dem Fenster. Eigentlich hatte sie ihre Mutter besuchen wollen, aber die lebte in Bayern und war eingeschneit. Sie fühlte sich einsam. Ihr Freund Thomas würde erst morgen aus Afghanistan anrufen können.
Den Tag hatte sie mit Plätzchen backen verbracht und auch einmal kurz vor Dianas Tür gestanden, um ihr welche vorbeizubringen, war dann aber doch wieder in ihre Wohnung zurückgekehrt. Verdammt, sie vermisste ihre Freundin. Sie hatte kein Recht, über sie so hart zu urteilen. Warum war alles nur so schiefgelaufen? Sie hätten jetzt auf Mallorca sitzen können.
Sie nahm den Schatten sofort war, der zum Auto huschte. Diana ging also aus. Aber wo wollte sie an Heiligabend hin? Sylvia seufzte. Sie würde sicher nicht schlafen können. Konnte sie also ruhig aufbleiben und auf Diana warten. Weihnachten war das Fest der Liebe, vielleicht konnten sie sich heute Nacht noch versöhnen.
Diana hatte im Auto laut gesungen und krampfhaft versucht, nicht über das, was sie hier vorhatte, nachzudenken.
Sie wusste, dass es unvorsichtig war, gerade nachdem, was sie am gestrigen Abend beobachten konnte. Aber sie kannte Roman schließlich, sicherlich würde er sich freuen, sie zu sehen. Schnell parkte sie den Wagen und rannte zum Haus. Es gab nur eine Klingel und es stand noch nicht einmal ein Name darauf. Sie drückte sie. Es dauerte eine kleine Weile und dann hörte sie schlurfende Schritte. Die Tür wurde geöffnet und der grauhaarige Araber stand vor ihr.
„Ja?“
„Ich bin eine Freundin von Roman, ist er da?“
Er erwiderte etwas in einer ihr fremden Sprache, vermutlich Arabisch. Es klang nicht gerade freundlich. Er sah sie erwartungsvoll an, aber sie hatte keine Ahnung, was er von ihr wollte.
„Roman“, wiederholte sie daher.
„Ahmed?“
„Nein, nicht Ahmed, ich suche Roman.“
Die etwas ältere Version von Roman kam die Treppe runter. „Was wollen Sie?“, fragte auch er nicht gerade freundlich.
„Ich wollte zu Roman. Der wohnt doch hier?“
Der vermutlich ältere Bruder von Roman grinste. „Ach, sie wollen zu unserem Romeo.“ Dann sagte er etwas auf Arabisch zu dem älteren Mann. Der lachte dreckig und verschwand wieder im Haus.
„Kommen Sie rein. Ich hole Ahmed.“
„Ahmed?“
„Ja, so heißt er richtig, wussten Sie das nicht? Ich bin sein älterer Bruder Saaed.“
„Hallo, nett, Sie kennenzulernen“, murmelte Diana, aber Saaed drehte ihr bereits
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