Nimm Platz und stirb
Körperteilen
verschiedener Stars konstruiert hatte. Sie war blond, nicht dunkel. Sie hatte
blaue Augen, keine grünen. Ihr Gesicht war nicht das von Liz Taylor, sondern
das einer friesischen Bauerntochter, wie sie 1938 in den Werbekalendern für
Rassenreinheit zu finden war. Es fehlte ihr der ausgeprägte Kurvenreichtum vom
süßen Leben und bitteren Reis, aber man konnte die vage Hoffnung hegen, daß sie
dafür in den späteren Jahren nicht so auseinandergehen würde wie die Mütter
dieser Stars und die Stars selber. Bei ihren Beinen allerdings hätte ich keinen
Pardon gegeben; sie genügten meinen Ansprüchen und denen des Films durchaus.
Die Haarfarbe verzieh ich ihr, weil sie so echt war wie die eines Kornfeldes in
der Ukraine und weil die Frisur wenig Pflege brauchte und entsprechend billig
war. An Kleidern und Kosmetik vertat das ganze Mädchen im Jahr ein Viertel von
der Summe, die ich vormals für ein mäßig begabtes Starlet aufzuwenden hatte.
Dafür hielt sie die Wohnung dreimal so sauber. Und sie fuhr den Wagen mit
ewiger Gleichmäßigkeit nach Hause, wenn ich in irgendeiner Kneipe versackt war
und wieder zuwenig Blut im Alkoholkreislauf hatte.
Von allem abgesehen hatte sie nicht mit
Film zu tun. Es war ein Segen, jemanden um sich zu haben, der nicht andauernd
auf der Bühne stand und nach jeder Bewegung fragte, ob sie nicht gut gewesen
wäre.
Ich betrat meine Wohnung. Niemand flog
mir jubelnd entgegen. Ich ging in die Küche und zog die Tür des Eisschrankes
aus ihren Magnetschlössern. Die Bierflaschen lagen säuberlich mit ihren
Verschlüssen nach vorn. Ich nahm ein Ei aus dem Regal, betrachtete es, nickte
mit dem Kopf, und legte es wieder zurück. Ich zog eine Flasche heraus und
schloß die Tür wieder. Dann ging ich durch das Wohnzimmer in mein Schlafgemach.
Elsie lag in meinem Bett, angetan mit
einem meiner Schlafanzüge, grün und schwarz, versehen mit meinem Schnaps, und
las in einem meiner Kriminalromane.
»Hat die Prinzessin sonst noch einen
Wunsch?« fragte ich. »Darf ich ihr die Fußsohlen mit Platin überziehen? Und
warum mußten diese teuren Eier gekauft werden? Klasse S, zehn Stück
zweizwanzig? Die afrikanischen tun’s nicht, wie? Finde ich das Geld auf dem Golfplatz?
Bin ich ein Dukatenesel?«
Sie sprang hoch wie ein Judokämpfer und
stemmte die Arme in ihre Rassetaille. Nur mit dem bösen Blick wollte es nicht
so recht werden.
»Du bist ein verdammter Geizkragen,
Hans Trubo!«
Sie nannte beim Schimpfen immer Vor-
und Nachnamen, wie ihre Altvorderen in Schleswig-Holstein. Ihre Mutter machte
es mit ihrem Vater ganz genauso. »Die vergammelten Kongoeier kannst du selber
essen, Kasavubu!« Sie küßte mich. »Verdiene mehr, und wir brauchen nicht zu
sparen. Du bist faul! Wohl!«
Wohl bedeutete, daß sie entschlossen
war, von dieser Meinung in den nächsten fünf Minuten nie und nimmer abzugehen.
Ich antwortete nicht, setzte mich auf den Rand des Bettes, trank ihr
Schnapsglas aus und ließ das Bier langsam hinunterlaufen. Jetzt merkte 1 sie, daß irgendwas mit mir los war.
»Fehlt dir was? «
Ich faßte sie sacht ins Genick unter
dem Ostfriesenhaar.
»Der Serkoff ist tot.«
»Was?«
Ich trank wieder Bier mit der anderen
Hand.
»Ja, ein Scheinwerfer ist
runtergekommen. Er war gleich tot.« Eine Minute starrte sie mich nur an. Dann
umklammerte sie mich so fest, daß ich nicht mehr trinken konnte.
»Geh nicht wieder hin. Bitte!«
Ich kam langsam frei.
»Keine Angst. Die anderen Scheinwerfer
werden jetzt so festgemacht, daß sie in zwanzig Jahren noch stehen.«
»Der arme Mann«, flüsterte sie. »Hat er
eine Frau?«
»Nein«, antwortete ich, »aber ein paar
werden sich schon einfinden.«
Langsam erzählte ich die ganze
Geschichte. Inzwischen schenkte ich mehrfach nach, und neues Bier kam heran.
Als ich zu Ende war, hatte ich keine Spur von Hunger mehr.
»Du mußt mir einen neuen Schlips
kaufen«, sagte ich. »In ein paar Tagen ist die Beerdigung, oder eine
Totenfeier, wenn er übergeführt wird. Morgen ist Pause. Gott sei Dank. Ich kann
den Saftladen nicht mehr sehen.«
»Und du hattest dich so auf den Film
gefreut.«
»Ja. Er auch.«
Ich zog mich aus. Schon in der
Badewanne wäre ich beinahe eingeschlafen. Aber später lag ich noch wach, als
Elsie schon schlief. Ich wollte herausfinden, was mir heute seltsam vorgekommen
war. Heute am ersten Tag. Ich fand nichts. Reinold und Gaby, Kirschbaum, der
Jühl und der tote Serkoff zogen hinter meinen Augenlidern vorbei.
Weitere Kostenlose Bücher