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Nimm Platz und stirb

Nimm Platz und stirb

Titel: Nimm Platz und stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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hast.«
    Er wandte sich ab, ging aus dem Kreis
heraus. Die Leute gerieten in Bewegung. Die Beleuchtung für die nächste Szene
wurde eingerichtet. Ein paar Tage, und sie würden arbeiten wie immer und nicht
mehr an Serkoff denken. Der alte Regiestuhl war nicht mehr da, war wohl auch
nicht mehr zu gebrauchen. Reinold saß in einem neuen Sessel. Ich kam gerade
zurecht, um ihm Feuer für eine neue Zigarette zu geben.
    »Danke dir, daß du Gaby nach Hause
gefahren hast.«
    »Danke dir, daß du sie mir mitgegeben
hast«, erwiderte ich. »Ist Kirschbaum schon zurück?«
    »Nein.«
    Fatal. Je eher ich die Geschichte
klären konnte, ob er dem Kommissar was gesagt hatte, um so besser für mich.
    »Elsie wollte heute nachmittag mal
zusehen«, sagte ich. »Darf sie?«
    Er nickte.
    »Wie geht es dem guten Kinde?«
    »Sie streitet immer noch mit mir. Ich
wäre ein gigantischer Geizkragen.«
    »Da hat sie auch recht.«
    Er schloß die Augen. Ich wußte, daß er
jetzt an die nächste Szene dachte, und machte mich lautlos davon.

VII
     
    Es war um drei Uhr in Atelier sechs,
und sie waren fertig mit dem Einleuchten. Elsie saß neben mir auf einer Kiste
und zischelte mir die Ohren voll.
    »Da! Wie die dich ansieht! Mit der hast
du bestimmt auch was gehabt! Sag die Wahrheit, Hans Trubo!«
    Es war die vierte, mit der ich etwas
gehabt haben sollte, seitdem Elsie im Gelände war. Ich war zu schwach, um den Kopf
zu schütteln. Zu meinem Glück schnarrte das Signal zweimal durch die Halle.
    »Herrschaften, es ist abgeläutet«,
schrie Malinke, der zweite Aufnahmeleiter. »Niemand spricht mehr.«
    Ich warf Elsie einen schadenfrohen
Blick zu. Langsam verstummte das Getuschel. Reinold sah mit halbgeschlossenen
Lidern über alle Gesichter.
    »Wenn wirklich niemand mehr spricht,
können wir anfangen. Kamera?«
    »Noch eine Probe und dann drehen wir.
Gaby, Jühl?«
    »Fertig.«
    Gaby trat an ihren Platz. Sie mußte an
einem Blumenstrauß herumfummeln und das Naschen in die Blüten stecken. Ich
reckte mich, um sie besser sehen zu können. Elsies Blicke bohrten sich in die
Weichteile meines Halses.
    »Jühl — bitte!« rief Reinold.
    Der Jühl kam zur Tür herein. Es war
eine Szene, in der er im Verlauf einer Auseinandersetzung mit Gaby seinen
Filmvater verdammen und beschimpfen mußte. Ich klemmte meine Daumen unter die
anderen Finger. Aber der Jühl war auch so gut. Er bewegte sich vor der Kamera,
als stünde sie in einer anderen Stadt und der ganze Stab mit. Er war genau der
Typ, der jetzt gebraucht wurde — ein Dreiviertelstarker, dem zum Mann alles
fehlte, bis auf den rechten Fuß zum Gasgeben.
    Er legte seinen Text fehlerlos hin, bis
Gaby sich verplapperte und erglühend »Entschuldigung« in Reinolds Richtung
hauchte. Beim drittenmal klappte es.
    »Wir drehen«, sagte Reinold. »Abläuten,
bitte.«
    Der rostige Ton kreischte dreimal in
der Luft. Diesmal war es sofort still.
    »Ton ab!«
    »Läuft!«
    Elsie vergaß meine sämtlichen Affären
mit den Mädchen des Filmgewerbes.
    »Kamera läuft«, sagte der Schwenker
leise.
    Der Mann mit der Klappe lief auf
Gummisohlen vor und hielt die weltberühmte Tafel vor die Linse.
    »Zwohundertneunundvierzig, die erste.«
    Die Holzleisten klappten aufeinander.
Elsie hörte auf zu atmen.
    Reinold hob die Hand.
    »Gaby, bitte!«
    Gaby roch an ihren Blüten.
    »Jühl, Achtung, bitte!«
    Der Jühl warf die Tür auf und kam
herein. Die Kamera schwenkte zu ihm, fuhr zurück. Dann waren beide im Bild. Der
Jühl fing langsam an. Gaby kam schön mit. Sie war jetzt sicherer. Dann ging der
Streit los. Die Rede kam auf Jühls Vater.
    »Er hat was geschafft!« schrie Gaby,
die nach einem gloriosen Drehbuch Jühl mit seinem Vater betrogen hatte. »Und
du? Nichts! Eine Null bist du. Ein Versager!«
    Und dann drehte der Jühl auf und riß
die Szene an sich wie ein Magnet eine Stecknadel und drückte das arme Mädchen
an die Wand. Er war allein in der Szene. Er haßte seinen Vater. Er brüllte, er
würde ihn eines Tages umbringen, und man glaubte ihm. Es war nicht die Angabe
eines Zwanzigjährigen. Es war bitterer Ernst.
    Ich staunte. Ich sah Reinolds Augen von
der Seite. Er schien Gaby vergessen zu haben, aber er schien auch nicht beim
Jühl zu sein, der ihm gerade etwas Rasantes vorspielte, sondern irgendwo anders
und weit weg.
    Der Jühl blieb stehen, sein Text war zu
Ende. Gaby funkelte ihn an, wie eine Natter ein hinkendes Küken. Die Kamera
lief.
    »Stopp«, rief Reinold. »Sehr gut, ihr
beiden. Gleich noch

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