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Nimm Platz und stirb

Nimm Platz und stirb

Titel: Nimm Platz und stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Wie lange ich Serkoff gekannt und wie viele Drehbücher ich
verbrochen hatte.
    »Ja, ja«, sagte er. »Der Mann, der
schon immer tot war.‹ Das hab’ ich gesehen. Sympathisch, wie Sie den Detektiv
gemacht haben.«
    Wir hatten ihn als gigantischen Trottel
gemacht.
    »Schlimm, wenn schon die Polizei lügt«,
erwiderte ich.
    Er lächelte. Er sah aus, als hätte er
auch was anderes werden können, aber die Geschichte machte ihm nun mal Spaß.
    »Hatten Sie mal Streit mit Herrn
Serkoff?«
    »Immer. Immer wieder vertragen. Hier
wird oft gestritten. Dann fährt man zusammen in die Bar.«
    »Wie bei uns«, murmelte er, »nur ohne
Bar.«
    »Sehen Sie, wenn Sie Teamarbeit wollen,
müssen Sie nach Amerika auswandern.«
    Er nickte bekümmert. Dann fragte er
plötzlich durch eine Rauchwolke: »Sie waren vergangene Nacht hier?«
    Aha, zur Sache, wenn’s beliebt.
    »Ja.«
    »Haben Sie irgend etwas bemerkt, ich
meine, irgend etwas Ungewöhnliches?«
    Ich koppelte eine Feigheit mit der
nächsten und log.
    »Nein, nichts. Hab’ gearbeitet und dann
gepennt.«
    »Hm, hm. Sehr vernünftig.«
    Er zündete sich die zweite Zigarette an
der ersten an. Nicht mehr lange, und er würde meine rauchen. Wie machte er das
bloß mit dem Gehalt?
    »Hatte sonst noch irgend jemand Streit
mit Serkoff?«
    »Natürlich. Ich sagte es ja. Herr
Kirschbaum wegen der Finanzierung. Der Regisseur wegen des Drehbuches und der
Besetzung.«
    »Besetzung?«
    »Na ja«, sagte ich, »wissen Sie, es
wird zwar in Filmkreisen immer heftig bestritten, aber — es kommt schon mal
vor, daß einer mal — zum Beispiel eine Dame, die er — die er...«
    »Für eine Begabung hält.«
    »Genau das. Auf welchem Gebiet ist erst
in zweiter Linie wichtig. Aber deswegen wird niemand umgebracht. Da würde der
Personalmangel zu groß werden.«
    Seine schwarzen Kundschafteraugen
hefteten sich auf meine Nase.
    »Glauben Sie denn, daß er umgebracht
wurde?«
    »Ah — nein«, antwortete ich langsam wie
ein Prüfungskandidat. »Nein, aber weil Sie nach Streit gefragt haben, von
Streit kann der Scheinwerfer nichts wissen...«
    »Er war säuberlich losgeschraubt«,
sagte Nogees.
    »Tja«, machte ich, »nichts gegen unsre
ehrsame Beleuchterzunft – aber-, das ist nicht der erste Scheinwerfer, der
runtergekommen ist. Deswegen werden die Leute versichert, die darunterstehen.«
    Ein Rauchring umrahmte sein Gesicht. Er
blies einen zweiten hindurch. Beide schwebten auf mich zu.
    »Natürlich, vielleicht war es wirklich
ein Versehen.«
    »Versehen?«
    »Hm. Es war der Stuhl von Herrn
Reinold, und eine Minute vorher hatte er noch dringesessen.«
    Er stand auf.
    »Aber das konnte der Scheinwerfer
natürlich nicht wissen. Sie werden Hunger haben, Herr Trubo. Ich melde mich,
wenn ich Sie brauche.«
    Hoffentlich nicht, dachte ich.
    Er wandte sich um in der Tür.
    »Ach, Sie möchten doch zu Herrn Reinold
ins Büro kommen. Er wartet auf Sie.«
    Lebwohl, wollte ich sagen.
    »Danke«, sagte ich. »Wiedersehen.«
    Die Eisentür klappte in ihren Rahmen.
Ich starrte sie an und fragte mich, ob ich richtig gehandelt hatte.
Wahrscheinlich nicht. Aber die Geschichte von dem Unsichtbaren konnte ich immer
noch beichten.
    Ich packte meinen Kram zusammen und
ging kurz nach dem Kommissar durch die Stille der Halle. Außer meinen Füßen
rührte sich nichts. Der ganze Bau schien leer zu sein wie mein Magen. Offenbar
hatte der Polizeimensch mich zuletzt drangenommen. Die Gänge kamen mir doppelt
so lang vor wie sonst. Ein paarmal war ich in Versuchung, mich umzudrehen und
zu schauen, ob jemand hinter mir wäre, aber ich strengte mich an, es zu
unterlassen. Ich würde einige Zeit brauchen, um mir zu beweisen, daß ich doch
Mut hatte, und das war die erste Übung.
    Ich setzte furchtlos meinen Weg fort,
wie Kaiser Rotbarts wackerer Schwabe. Das Vorzimmer war leer, aber es brannte
Licht. Ich ging vorbei an Tinas Schreibtisch und durch die Ledertür.
    In Reinolds Gesicht war alle Müdigkeit
der Welt. Er hing im Sessel, als hätte ihn der Scheinwerfer getroffen. Neben
ihm hockte Gaby, auch wie der fleischgewordene Trübsinn. Ich kam als dritter
dazu.
    »Mahlzeit«, sagte ich, »bis eben hatte
der Bursche mich beim Wickel. Zu essen hatte er auch nichts mit.«
    »Im Schrank sind Apfelsinen«, sagte
Gaby.
    »Danke, ich würde lieber einen Cognac essen.«
    Reinold bewegte das Kinn.
    »Wodka ist da. Hol dir.«
    Ich ließ drei aufeinanderlaufen und goß
sie hinunter. Mir war, als hätte ich eine Zentralheizung verschluckt,

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