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Nimm Platz und stirb

Nimm Platz und stirb

Titel: Nimm Platz und stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Langsam
dämmerte ich weg. Die Figuren verwischten sich, drehten sich in einem matten
Wirbel.
    Plötzlich wurde ich hellwach und sah
eine von ihnen ganz klar vor meinen Augen. Der Schreck schoß mir durch die
Adern.
    Kirschbaum!
    Heute vormittag, kurz vor Serkoffs Tod,
hatte ich ihn gefragt, ob jemand die Hallen kontrollieren würde in der Nacht,
erzählte ihm, daß sich einer rumgetrieben hatte in Atelier sechs! Er war vor
mir verhört worden. Wenn er dem Kommissar die Geschichte erzählt hatte!
    Ich starrte grimmig in das Nichts
zwischen mir und der Zimmerdecke. Niemand sah es, und es half auch nichts. Es
war nichts mehr zu ändern. Blieb nur die Hoffnung, daß Kirschbaum es vergessen
hatte zu erzählen. Wenn nicht, hatte der Kommissar mich sauber reingelegt. Der
hatte gut rauchen!
    Der Tag war mir jetzt noch mehr
verleidet als vorher. Es war der schlimmste, den ich jemals in dem verdammten
Atelier verbracht hatte. Ich irrte mich auch dieses Mal. Wenn ich gewußt hätte,
was noch bevorstand, wäre ich Elsies Rat gefolgt. Ich hätte mich in meine
Wohnung eingeschlossen und in der Speisekammer verkrochen.

VI
     
    Ich verschlief die Hälfte des nächsten
Tages. Elsie war längst weg, als ich erwachte. Auf meinem schmächtigen
Brustkasten lag nur ein Zettel des Inhalts, daß sie Nachtdienst hätte und
morgen pünktlich, wie ausgemacht, bei der Sirius sein würde, um beim Drehen
zuzusehen. Ich hatte das versprochen, schon vor Beginn der Dreharbeiten. Sie
war neugierig wie sieben Journalisten und glaubte noch an die Wunder des Films.
    »Ich darf doch kommen, auch wenn das
mit Serkoff passiert ist?«
    Sie hatte wohlweislich vermieden, mich
am Abend danach zu fragen, die Schlange. So sehr vom Lande war sie manchmal gar
nicht.
    Ich nahm meinen Schlafanzug, den sie
abgelegt hatte, von meinen Beinen weg, erhob mich stöhnend und stakte
steifbeinig zum Bad. Ich fühlte mich besser als gestern, aber immer noch wie
ein gebrauchtes Stück Kaugummi.
    Mit dem Rest des Tages tat ich auch
nicht viel. Die Post bestand aus der Lichtrechnung (...vorstehender Betrag
wurde laut Auftrag von Ihrem Konto abgebucht) und einer Wurfsendung an alle
Fernsprechteilnehmer mit der Erläuterung, nach welcher man alle Fremdsprachen
spielend und im Schlaf lernen könne.
    Niemand besuchte mich, niemand rief an.
Hin und wieder warf ich einen scheuen Blick auf das Telefon, ob es vielleicht
klingeln und der Kommissar Nogees in mildem Ton sagen würde, ich möchte doch
ins Präsidium kommen und die Zahnbürste und genügend Taschentücher mitbringen.
Es klingelte nicht. Gegen Abend versuchte ich an Hand einer Filmidee eine
Vorstellung von meinem nächsten Drehbuch zu bekommen, aber auch daraus wurde
nichts. Immer wieder dachte ich an Serkoff und das Atelier sechs. Schließlich
nahm ich zwei Schlaftabletten mit Bier und legte mich nieder. Bis drei Uhr
zählte ich die Schläge von St. Sebastian, was die nächstgelegene Kirche war.
Dann schlief ich ein, und am nächsten Morgen war ich traurig wie ein harpunierter
Walfisch. Der kräftige Tee trieb zwar die Pulszahl in die Höhe, aber der Tran
in den Gehirnwindungen blieb. Gegen elf Uhr fuhr ich zur Sirius.
    Als ich das Tor passierte, wurde mein
Wagen immer langsamer, und in der Höhe des Kantineneinganges blieb er ganz
stehen, obwohl noch genügend Benzin im Tank war. Seufzend stieg ich aus und
ging schweren Herzens in die Kantine. An einem Nebentisch saß ein Herr mit zwei
kleinen Dauerwellen und abstehenden Ohren. Ich setzte mich zu ihm.
    »Elender Mist, was?« sagte der Jühl.
    »Man kann es so sagen«, antwortete ich.
»War der Kommissar gemein zu Ihnen?«
    »Nein. Wollte nur wissen, woher ich
Serkoff kenne und was ich an dem Tag zu tun hatte.«
    Ich nickte und bestellte mir ein Bier
und einen Schnaps. Die Schlaftabletten schienen immer noch in meinem Hals zu
stecken.
    »Haben Sie heute mittag was zu tun?«
    »Ja. Am Nachmittag. Muß mich
fürchterlich mit Gaby streiten. Und dann wollte ich eventuell noch Muster
ansehen, von vorgestern. — Aber ob er heute die eine Einstellung mit Paul
vorführen läßt — «
    Es war immer so, daß man sich am Abend
des nächsten Tages ansah, was man am Tag vorher gedreht hatte.
    Der Jühl schwieg. Unsere Gedanken waren
einander so ähnlich wie Bücher von Ganghofer.
    »Wird bitter sein, wenn der Streifen
kommt, nachdem das Ding runterfiel.«
    »Ja.«
    Ich trank das halbe Bier aus. Der
Schnaps folgte auf dem Fuße.
    »Jühl«, sagte ich, »Sie standen doch
neben der Tür

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