Nimm Platz und stirb
die Gaskammer — , es war furchtbar — «
»Siehst du wohl«, sagte ich. »Also nimm
dich zusammen! Bring mich nicht um. Wenn ich dich mal ein bißchen betrüge! Und
jetzt wisch dir die Blausäure aus dem Gesicht und komm! Gleich geht’s wieder
los!«
Meine Mörderin setzte sich neben mich
auf die Kiste vom Vormittag.
Reinold bewegte den Kopf.
»Können wir?«
»Wir können, Herr Reinold!«
»Bitte! Eine Probe!«
Gaby und Jühl kamen vor. Die
Kameraleute hielten ihnen noch einmal ihre Lichtmesser an die Gesichter, als
sie auf ihren Plätzen standen. Dann ging es los.
Diesmal war es komplizierter, weil Gaby
am Schluß der Unterredung hinausstürzte und von der Kamera verfolgt wurde. Im
Vorraum riß sie ihren Mantel vom Haken und verschwand durch die Korridortür.
Das war gar nicht so einfach. Einmal vergaß sie den Mantel, dann riß sie den
ganzen Haken von der Wand, und ein bedächtiger Bühnenarbeiter nagelte ihn mit
hallenden Schlägen wieder an.
Nach drei Proben war die Sache reif für
den Kasten. Sie wurde viermal gedreht, und Gaby mußte siebenmal den Mantel
wutentbrannt an sich reißen. Dann stand die Szene. Rings um uns atmete alles
hörbar auf, als die Scheinwerfer ausglühten, obgleich Reinold kein böses Wort
gesagt hatte.
Ich erhob mich von der Kiste.
»Hast du schon genug?« fragte ich die
Gaskammerguste.
»Ich finde es wahnsinnig interessant!«
»Drei Tage, und es ist gar nicht mehr
interessant«, sagte ich. »Dann wächst dir Moos hinter den Ohren.«
»Ich möchte nur wissen, ob du für einen
anderen Beruf zu gebrauchen wärst.«
»Kaum«, lautete meine Antwort. »Niemand
von dem ganzen Volk hier ist zu etwas anderem zu gebrauchen. Ohne ihren Film
sterben sie. Sie können eine Pleite nach der anderen machen - aber sie kurbeln
weiter.«
Der Jühl kam uns in die Quere.
»Darf ich dir einen unserer größten
Mimen vorstellen?« fragte ich. »Herr Staatsschauspieler Thomas Jüstel, in
Künstlerkreisen Jühl genannt. Fräulein Elsie Dostran, meine Stiefmutter.«
Der Jühl verbeugte sich, daß er beinahe
mit dem Kinn auf den Boden stieß und küßte der Stiefmutter den Handrücken. Sie
war ganz benommen.
»In Anbetracht des Drehschlusses wäre
ich für etwas Bier«, fuhr ich fort, »aber nicht in dem Rotkrautschuppen. Wie wär’s
in meiner Zelle?«
»Einen Teller würde ich schon
mitessen«, sagte der Filmstar. »Nur vorher abschminken.«
»Fein«, sagte Elsie, »dann sehe ich,
wie Sie richtig aussehen.«
»Schon ist sie hin«, sagte ich.
»Beeilung, Meister!«
Er kam bald.
»Prost, Vatermörder«, sagte ich und
kreuzte eine Flasche mit ihm. Dann schluckten wir das Bier hinunter. Elsie war
Gläser gewöhnt und saugte sich an der Flasche fest. Sie betrachtete Jühl mit
großen Augen.
»Ich habe direkt Angst bekommen, Herr
Jüstel. Es sah wirklich so aus, als... haben Sie ihren Vater nicht gern?«
»Mein Vater ist lange tot«, sagte der
Jühl lächelnd.
Sie senkte die Nase.
»Oh — entschuldigen Sie — , ich wollte
nicht — «
»Sie ist das erstemal hier, Jüstel.
Außerdem verträgt sie keinen Alkohol. Aber sie hat recht. Noch einen auf Ihre
Szene!«
»Ging es so?« fragte er.
»Na, hören Sie, nur zwei Klappen! Vier
bis sieben ist der Durchschnitt! Der heilige Stefan war zufrieden! Deswegen hat
er vorhin keinen Ton gesagt, als der Kleiderhaken nicht richtig mitspielte!«
»Ich mag den Reinold gern«, sagte der
Jühl vor sich hin. »Wenn er eine Sache erklärt, dann sieht man sie. Aber so
schwer war’s auch wieder nicht. Bei Franz Moor und Don Carlos und der Agnes
Bernauer ist es der gleiche Käse. Immer Krach mit den Vätern und rote Köpfe und
rollende Augen und gezogene Zweihänder. Kann mir schon gar nicht mehr
vorstellen, daß jemand mit seinem Alten auskommt.«
»Einer muß an dem Ärger schuld sein,
der mit der Geburt anfängt. Das sind eben die Väter.«
Diesem weisen Ausspruch folgten noch
mehrere. Die leeren Bierbehälter sammelten sich auf dem Fußboden, bis der Jühl
aus Versehen auf seine Armbanduhr sah.
»Tut mir leid, verehrter Gastgeber, ich
muß sausen.«
»Haben Sie morgen etwas vor?«
»Nein... aber zum Vorführen komme ich.
Wiedersehen, gnädiges Fräulein, kommen Sie öfter!«
Das gnädige Fräulein war unsäglich
geschmeichelt.
»Kommen Sie doch mal zu uns, Herr
Jüstel!«
»Richtig«, sagte ich. »Da stellen wir
einen Punsch ins Zimmer, daß die Bilder anfangen zu tanzen. Was anderes als
dünnes Bier.«
»Können Sie machen. Aber heute war
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