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Nimm Platz und stirb

Nimm Platz und stirb

Titel: Nimm Platz und stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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du vielleicht erzählst. Gibt nur Ärger, und die Polizei denkt
unnötiges Zeug. Ist einer von den Nachtwächtern gewesen, sonst niemand.«
    »Ich habe Angst gehabt, daß du es
erzählt hast.«
    »Was werd’ ich erzählen! War ein
Unfall, sonst nichts! Armer Serkoff! Hätte noch so viel verdienen können!
Verfluchte Idioten von Beleuchtern!«
    Nathan meinte es ehrlich. Er drückte
sich nur anders aus als die meisten Leute.
    »Wird sich alles aufklären. Und wir
erzählen nichts, hörst du? Sollen sie sich selber kümmern! Wofür werden sie
bezahlt!«
    Mir war so wohl, als hätte ich eine
Flasche Whisky ausgetrunken. Elsie lebte. Kein Mörder war dagewesen, und kein
Kommissar wußte etwas.
    »Ich erzähle nichts«, sagte ich.
    Nathan klopfte mir auf die Schulter.
    »Hab’ immer gesagt, du bist der Vernünftigste
in der Firma.«
    Es würde nicht lange dauern, bis er das
Gegenteil sagte.
    »Muß noch einmal zu Stefan«, sagte er.
    »Ich auch.«
    »Na, gehen wir.«
    Auf dem Weg überlegte ich mir die ganze
Geschichte und lachte innerlich über mich selbst. Es war, als machte der Teufel
seine Witze mit uns. Beide hatten wir Angst gehabt, der andere könnte was von
dem Mann in der Nacht erzählt haben...
    Reinold und Gaby saßen da wie zuvor.
Nathan begrüßte sie und erzählte noch einmal, wie es ihm beim Verleih ergangen
war. Sie wollten zuerst die Dreharbeiten einstellen, aber er hatte sie
weichgekocht. Es konnte weitergedreht werden. Dann war wieder einmal das
Drehbuch dran.
    »Ich weiß, ich weiß, Stefan. Du bist
nicht in Stimmung. Geht mir genauso. Ich will nicht streiten. Nur eine Frage,
auch für dich, Trubo, brauchen wir die Szene auf dem Friedhof? Was gibt sie
her? Wozu müssen wir sehen, daß das Mädchen begraben wird? Ist doch genug, wenn
man erzählt, es wird morgen beerdigt! Fertig. Basta!«
    Ich sandte ein kurzes Stoßgebet zum
Himmel, daß Stefan nicht in die Luft gehen möge. Auch Gaby sah ängstlich aus.
Er tat es nicht.
    »Hör zu, Nathan. Eine Szene am Friedhof
gibt immer was her. Pfarrer, offenes Grab, Trauergemeinde. Das fotografiert
sich gut und kostet wenig! Sind doch alles Komparsen!«
    Nathan raufte sich die Haare.
    »Was Komparsen! Alles Tagesgagen,
alles! Herr der Welt! Wird blödsinnig teuer, nur weil man sieht, wie sie
begraben wird! In diesem Film kosten mich die Toten mehr als die Lebenden!«
    Reinold schwieg und sah ihn an. Er
lächelte. Da lächelte auch Kirschbaum.
    »Na, schön, schön. Kriegst deinen
Friedhof. Aber ich sage euch, es wird teuer!«
    Er ergriff das Drehbuch, das auf dem
Tisch lag, und blätterte fahrig darin herum.
    »Hier! Neunundzwanzigstes Bild! Lokal,
innen, Nacht, Lokal proppevoll! Warum proppevoll! Warum genügt nicht halbvoll?
Warum so viele Leute bezahlen? Der Serkoff ist tot, und niemand gibt mehr einen
Pfennig für den Film!«
    Er blätterte weiter und las murmelnd
vor sich hin:
    »›Dann machen wir gleich Schluß. Kurz
und schmerzlos‹, sagt er. Sie sagt: ›Gut, wenn du es so haben willst!‹ Sie
nickt.«
    Nathan sah uns mit erbarmungswürdigem
Blick an.
    »Sie nickt. Warum nickt sie? Was muß
sie nicken an dieser Stelle! Mit meinem Geld!«
    Stefan stand auf. Er ging um den Schreibtisch
herum, legte seinen Arm um Nathans Schultern.
    »Laß sie nicken, Nathan. Es kostet doch
nichts!«
    Nathan blickte in sein Gesicht, als
hätte er die erste aller Wahrheiten gehört. Er lächelte, warf das Buch auf den
Tisch.
    »Kostet nichts, schön, soll se nicken.«
    Wir lachten schallend. Nathan wischte
sich die Stirn.
    »Entschuldigt, Kinder, bin blöd. Bin
völlig durcheinander. Die Verleih-Bande hat mir sämtliche Nerven getötet.«
    Stefan schlug ihm auf die Schulter.
    »Ich weiß. Gehn wir schlafen.«
    Er sah mich an.
    »Das war’s, was ich mit dir besprechen
wollte. Der Friedhof. Ist erledigt. Nathan läßt sie begraben mit meinem Geld.«
    »Er war schon immer ein Wohltäter«,
antwortete ich.
    Zwei Minuten später war ich wieder vor
meiner Eisentür und klopfte wie an den Felsen Sesam: Es dauerte eine Weile, bis
ein verschlafenes Sommersprossengesicht erschien.
    »Komm, Herzchen! Auf und raus! Die
Sitzung ist beendet!«
    Während der Fahrt erzählte ich Elsie
von Nathan und seiner Sparsamkeit. »Was muß se nicken mit meinem Geld?«
    Wir lachten noch vor dem Einschlafen.
Es war das letztemal.
     
     
     

X
     
    Ich kam am nächsten Abend um halb sechs
ins Atelier. Leise schlich ich über die Gallerie. Unten drehten sie noch. Ich
hatte keine Lust, zuzusehen. Ich

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