Nimm Platz und stirb
hing meinen Mantel auf und machte mich davon.
Kommandos von Reinold schallten herauf. Kurz vor der Ecke vernahm ich Gabys
Raubkatzenstimme aus der Tiefe.
»Ich kann nicht ohne Mann sein. Das ist
gegen meine Natur.«
Ja. Ihre Natur und mein Text. Du lieber
Himmel.
Der Vorführraum lag zwischen den Büros
und den Garderoben. Die Gänge führten rechtwinklig darum herum, so daß er frei
wie ein Klotz in den übrigen Räumen stand. Vom hinteren Gang führte eine Tür zu
den Projektoren, je eine Tür von den Seitengängen zum Zuschauerraum. An der
Stirnwand mit Vorhang und Leinwandfläche gab es keine Tür.
Innen war es gemütlich. Breite,
gepolsterte Klappsitze, wie sie in Kinos für teures Geld zu haben sind. Man
konnte die Beine weiter von sich strecken als in der Badewanne eines Filmstars.
Hölzerne Wände, ein Teppich, durch den man waten mußte, Aschenbecher standen
auf Nickelfüßen und sahen aus, als könnten sie eine Verbeugung machen. In der
Mitte hinter der ersten Sitzreihe stand auf breitem Sockel der Tisch, an der
die Cuttermannschaft sitzen und die Befehle des Regisseurs mitschreiben würde,
mit Telefonen und Knöpfen konnten sie die Projektorkabine in Atem halten.
Ich trat ein und suchte den
Lichtschalter. Kein Mensch war im Raum. Das Licht verteilte sich in warmen
Schleiern an der Decke und an den Wänden, denn die Lampen waren verdeckt, um
niemanden aufzuwecken, der während der Vorführung eingeschlafen war. Die warme,
ruhige Luft roch nach Film und abgestorbenem Zigarettenrauch und ein bißchen
nach Geld.
Ich nahm den Sitz rechts außen in der
hintersten Reihe. Hier konnte sich nur einer neben mich setzen, und für die
Beine war noch mehr Raum. Und ich war weit genug weg von der Leinwand, um keine
Schmerzen in der Pupille zu kriegen.
Ich zog einen der Aschenbecher heran.
In einem Kino, in dem man rauchen darf, schmeckt die Zigarette noch besser.
Der Frieden währte nicht lange. Die
rechte Tür öffnete sich so leise, als kämen die Heinzelmännchen, um den Teppich
zu klopfen. Herein trat unser Kostümberater. Er hieß Sanft, und er war sanft.
Vor allem zu Jünglingen. Er trug eine enge schwarze Hose, ein Wollhemd von
derselben Farbe und einen Haarschnitt, kühner als Cäsar. Um seinen nervigen
Hals war ein feuerrotes Tuch geschlungen. Er sah mich, und seine Augen
verklärten sich. Wenn ich Tony Curtis gewesen wäre, hätte er mich nicht süßer
anreden können.
»Ach Johann, da bist du ja!«
»Ja, da bin ich.«
Er sprach, als hätte man ihm mit fünf
Jahren die Polypen entfernt, aber einen Rest stehengelassen.
»Gott, was siehst du ausgeschlafen aus!
Erlaubst du?«
Er glitt neben mich auf den Sitz, vorsichtig.
Wahrscheinlich tat es ihm leid, nicht auf beiden Seiten von mir sitzen zu
können. Ich bot dem Sanften eine Zigarette an. Er hielt meine Hand mit der
Schachtel fest und drehte sie hin und her wie ein Juwelier einen Brillanten,
den er zurückkaufen sollte.
»Gott, was für schöne Hände du hast!«
»Sei nicht profan, Johann Trubo! Warum
heiratest du nicht?«
»Noch bist du frei«, antwortete ich.
»Ich bring’s nicht übers Herz.«
Ich gab ihm Feuer und hielt das
Streichholz zu dicht an seine Nase. Er fuhr zurück, als röche er
Schwefelkohlenstoff.
»Gott, wie du so von mir fortgleitest«,
murmelte ich, »aber das Hemd steht dir gut.«
Er war stolz.
»Ich habe es von meinem Vater.«
»Wunderbar. Wie schade, daß du es nicht
weitervererben kannst.«
Ganz verstand er mich nicht.
»Wie meinst du das, Johann?«
»Serkoff ist tot«, sagte ich mit
Grabesstimme. »Ich glaube fast, du bist der nächste.«
»Mach nicht solche Witze. Mir tut er so
leid, der arme Kerl! Man ist ja seines Lebens nicht mehr sicher in diesem
Unternehmen!«
»Keine Sorge, Ronald. Dich brauchen die
Götter noch! Vor allem die männlichen.«
Als nächste kam Gaby.
»Darf ich mich dazwischensetzen?«
»Gerade wollte er sich mir erklären«,
sagte ich.
Sanft rückte beflissen zur Seite. Sie
nahm zwischen uns Platz. Ich bekam endlich ein anderes Parfüm zu riechen.
Wieder tat sich die Tür auf. Der Jühl
grinste uns fröhlich an.
»Ist der Sperrsitz noch frei?«
»Nicht für Komparsen«, erwiderte ich.
»Hat der Kerl doch weiß Gott den Mut, sich seine miserable Leistung anzusehen.«
»Vorsicht!« Er kam heran und setzte
sich neben den Sanften.
»Vielleicht sind wir die einzigen, die
in diesen Film gehen!«
Ich ahnte nicht, wie recht er hatte.
Der Vorführraum füllte sich langsam wie
die Kasse
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