Nimm Platz und stirb
Gaby«, sagte ich. »Geht’s
wieder besser?«
Vor ihren Worten kam ein Schluchzen.
»Ja - etwas.«
»Es wird schon, Mädchen. Die ersten
vierzehn Tage sind immer am schlimmsten. Dann schafft man es langsam.«
Sie glaubte es nicht, Was sollte ich
machen.
»Kann ich irgend etwas für dich tun?«
Sie schien sich die Nase zu putzen.
»Nein — ich wollte nur mal reden mit
dir — , der Mann von der Polizei, war hier — hat mich alles mögliche gefragt — «
»War er nett?«
»Ja, eigentlich...«
»Der ist nämlich nett. Kommt er noch
mal?«
»Hat nichts gesagt.«
»Hm. Hast du was gehört, wann die
Beerdigung ist?«
Sie schluckte wieder.
»Nein. Kirschbaum will es bekanntgeben.
Du, ich weiß nicht ob ich hingehen kann — ich«
Jetzt weinte sie wirklich.
»Natürlich gehst du hin«, sagte ich.
»Alle gehen hin. Was wird er denken, wenn du nicht kommst!«
Ich wartete bis das Weinen nachließ.
Dann fiel mir was ein.
»Gaby, hat er dich nach Stefans Frau
gefragt, nach Vera?«
»Nein.«
»Hast du sie gekannt?«
»Nein. Manchmal hat er von ihr erzählt.
Nicht viel. Er hatte doch nicht gern, wenn man — «
»Natürlich, natürlich. Mich hat der
Nogees nämlich gefragt, wie oft Stefan verheiratet war — «
Sie stieg tatsächlich darauf ein.
»Wie oft? War er — hatte er noch — «
»Nein, nein. Keine Spur.« Ich sprach
überzeugend wie ein Generalvertreter. »Ich habe ihm nur von Vera erzählt und
daß sie getrennt leben, und da dachte ich, er hätte auch bei dir...«
»Nein.«
»Hm, hm. Was machst du jetzt? Irgendwas
zu tun?«
»Nichts. Ich sitze den ganzen Tag zu
Hause. Ich kann niemanden sehen.«
»Verstehe ich. Hast du deine Drehtage
bezahlt bekommen?«
»Noch nicht. Aber Kirschbaum hat
gesagt, er schickt das Geld.«
»Das tut er bestimmt. Wenn du was
brauchst, dann ruf nur hier an. Bin meistens da.«
»Danke. Vielleicht komm’ ich mal.«
»Tu das. Also, Kopf hoch, wer noch
einen hat.«
»Wiedersehen!«
Ich legte auf und blieb sitzen. Sie
wußte nichts von der toten Andrea. Stefan hatte ihr nichts erzählt. Der
Kommissar würde es vielleicht herausbringen, aber das konnte noch dauern.
Ich ging zurück in die Küche zu meinem
Eierbecher und meiner Bierflasche. Als ich das drittemal mit mir selber
angestoßen hatte, schrillte die Flurklingel fürchterlich. Es klang, als ob ein
betrunkener Schwergewichtler unten am Klingelbrett lehnte.
Ich drückte auf den Öffner und wartete.
Wenig später donnerte es an die Tür. Mein zartes Kind vom Lande stürmte über
die Schwelle.
»Das dauert ja eine Ewigkeit, bis du
aufmachst! Herrgott, hab’ ich einen Hunger. Dieser Samuel, dieses Ekel, hat
mich wieder aufgehalten. Jedesmal, wenn Schluß ist, kommt er noch mit
irgendeinem Quatsch! Auf den Mond könnte ich ihn schießen!«
Samuel war der Spitzname des
bedauernswerten Mannes, der ihr Vorgesetzter war. Sie riß den Kühlschrank auf
und sah die Vorräte.
»Was ist das?«
»Bißchen was zu essen und zu trinken«,
erwiderte ich.
»So! Das nennst du ein bißchen! Und
wenn ich mal was kaufe, wird gemeckert! So viele Würstchen! Und das Bier und
der Whisky! So teuer! Hast du Geburtstag? Willst du das allein trinken?«
Ich saugte lange an der Bierflasche.
»Nicht alles. Ich will es teilen.«
»Mit wem?«
»Mit unserem Gast.«
»Gast?« Sie beäugte mich mit äußerstem
Mißtrauen.
»Hm. Filmschauspieler Thomas Jüstel.
Auch Jühl genannt. Habe ihn für heute gebeten. Sei froh, daß er die Einladung
angenommen hat.«
Zufrieden trank ich einen neuen
Schluck.
Elsie verfärbte sich. Sie wurde erst
blaß, dann rot. Ich fürchtete, sie würde auch noch grün werden.
»Du hast ihn...? Er kommt hierher,
heute?«
»So ist es.«
Jetzt ging es erst richtig los.
»Du lädst ihn hierher zu uns ein und
hast nichts anderes als Bier und Würstchen — «
»Und den Whisky, den teuren...«
»Schämen sollst du dich, Hans Trubo!
Wohl! Du mit deinem Verdienst! Er muß uns ja für arm halten! Wenn ich nur
diesen Geiz aus dir herausbrächte!«
»Eben hieß es, ich treibe unnützen
Aufwand!«
Ich war äußerst vergnügt.
»Jetzt ist es nicht mehr genug.«
»Eine Schande ist es. Warum hast du mir
nichts gesagt? Du bist ganz hinterlistig! Er wird lachen über mich — «
Sie bedeckte ihre Sommersprossen mit
den Händen. Es war ergreifend.
»Ich fürchte eher, er wird weinen, wenn
er dich sieht! Dieses Kleid und die zerzausten Haare und die blassen
Fingernägel! Der ist andere Eindrücke gewöhnt.
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