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Nimm Platz und stirb

Nimm Platz und stirb

Titel: Nimm Platz und stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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weiter nachdenken. Ich stand auf.
    »Es wär nett von dir, daß du mich so
lange dabehalten hast. Und mir so viel erzählt hast. Deine Blumen werden
schweren Durst haben.«
    Sie lächelte wie am Anfang, als ich
gekommen war.
    »Hoffentlich dauert es nicht wieder
fünf Jahre, bis wir den nächsten trinken?«
    Die Haut im Gesicht wurde mir heiß.
    »Bestimmt nicht. Jetzt, wo ich weiß,
daß du etwas im Haus hast — verzeih mir, Vera. Den anderen auch. Ich war feige,
ich weiß es. Es ist nicht das erstemal gewesen. Heldentum ist bei mir nicht
eingebaut.«
    »Schon in Ordnung«, antwortete sie.
    Sie kam hoch und stand vor mir, und ich
fragte mich, warum Reinold auch sie im Stich gelassen hatte. Dann trat ich
einen Schritt vor, als wollte ich ihr die Hand geben, blickte dabei auf den
Tisch und tat so, als käme mir ein Gedanke.
    »Ach, sag mal, kann ich eins von den
Bildern mitnehmen?«
    Sie blickte mich an.
    »Weißt du, dem Kommissar, der die Geschichte
bearbeitet, ist manches unklar — vielleicht kriegt er irgendwas raus, was mit
ihr zusammenhängt — , ich geb’ es dir wieder — «
    »Nimm es mit«, sagte sie und deutete
auf das Bild, das die Frau von vorn zeigte.
    »Vielen Dank, Vera. Äh — diese
Künstlerkneipe, von der du mir erzählt hast — wo war die?«
    »In der Reinhardtstraße.«
    »So. Rein... hm. Und die Wirtin — weißt
du, wie sie hieß?«
    »Adele. Adele Genkin.« Sie
buchstabierte den Namen.
    »Wir haben sie Adi genannt. Aber ich
weiß nicht, ob sie noch dort ist, oder ob sie noch lebt. Willst du Detektiv
spielen?«
    »Das soll der Kommissar machen.
Vielleicht gehe ich mal hin und trinke einen.«
    Ich steckte das Bild in die
Brusttasche. Andrea Lacon. Stefans erste Frau, dicht neben meinem Führerschein.
    »Wiedersehen, Vera. Ich melde mich,
wenn ich etwas Neues höre. Oder willst du nicht wissen, wer ihn umgebracht
hat?«
    »Doch«, sagte sie leise. »Das möchte
ich schon. Wann wird er beerdigt?«
    »Das weiß ich noch nicht. Das dauert
ein paar Tage. Bis sie - bis sie ihn freigeben — in so einem Fall — «
    »Ich weiß.« Sie tippte auf meine Brust.
»Es muß bei ihr damals genauso gewesen sein.«
    »Ja. Ich ruf dich an, wenn ich es
weiß.«
    »Bitte.«
    Ich zog meinen Mantel an. Vera ging mit
bis zur Tür. Ich ging hinunter und auf die Straße. Die Sonne warf ein flutendes
Rot gegen die Fronten der Häuser. Vom Wagen aus schaute ich nach oben. Vera war
hinter dem Balkonfenster. Ich hob meinen Arm, und sie winkte.
    Dann wendete ich und fuhr zurück. Ich
war traurig, aber aus einem anderen Grund, als Vera dachte.
     
     
     

XIV
     
    Ich lag in meiner Küche auf den Knien,
Kopf und Oberkörper steckten unter dem Tisch mit der Kunststoffplatte. Eins der
Würstchen war vom Teller gerollt und hatte sich hinter den Schubladeneinsatz
verkrochen. Ich zwängte meine Hand zwischen Mauer und Holz und angelte in dem
Spalt herum. Ein Würstchen war ein Würstchen. Schließlich war ich nicht
verpflichtet, die Mäuse in diesem Hause zu ernähren.
    Als ich ein Viertelpfund Gips von der
Wand geschabt hatte, fand ich es endlich. Beim Aufstehen knallte ich mit dem
Kopf an die Tischkante und stieß eine schauerliche Verwünschung aus, die den
Teufel hätte erröten lassen.
    Das Würstchen war stark beschädigt. Ich
wusch es unter der Leitung ab, legte es zu den anderen auf den Teller und
stellte alles zusammen in den Eisschrank.
    Außer den zwanzig Paar Würstchen hatte
ich ebenso viele Brötchen und ein Viertelpfund Senf von der ätzenden Sorte
gekauft. Dazu kamen zwanzig Flaschen Bier, eine Flasche klarer Schnaps und eine
Flasche Whisky mit Dudelsackbläsern und Königswappen. Die Zusammenstellung war
nicht ideal, denn Whisky ist ein eitles Getränk und sieht nicht gern ein
anderes neben sich im Magen. Aber ich war schon zu Hause, viel konnte mir nicht
passieren.
    Während dieser Überlegung starrte ich
die Flaschen an, die so einträchtig auf den Rosten ruhten. Es kam mir der
glückselige Gedanke, ganz allein mit mir einen Schluck zu nehmen, solange noch
Zeit dazu war.
    Ich nahm einen Eierbecher aus dem
Wandschrank und goß mir einen Schnaps ein, dazu öffnete ich eine Bierflasche.
Die Mischung belebte mich sehr. Als ich sorgfältig die Gründe gegeneinander
abwog, die dafür und dagegen sprachen, noch einen zu trinken, zirpte die hohe
Klingel des Telefons vom Schreibtisch her. In dieser Zwangslage goß ich den
zweiten hinunter und verließ hustend die Küche.
    Am anderen Ende war Gaby.
    »Grüß dich,

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