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Nimm Platz und stirb

Nimm Platz und stirb

Titel: Nimm Platz und stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Ich werde doch wohl in ein Lokal
mit ihm gehen müssen.«
    Sie riß die Hände vom Gesicht.
    »O Gott! Wann kommt er?«
    Bedächtig sah ich zur Uhr.
    ‘‘»Nun, er wird gleich hier sein. So
gegen sechs habe ich gesagt.«
    Sie riß die Tür auf, zischte über die
Schulter zurück:
    »Warte, Hans Trubo, wenn er wieder weg
ist!«
    In den nächsten fünf Minuten war es,
als trainiere sie Viermal-hundert-Meter-Olympiastaffel in der Wohnung. Kleider
wurden aus dem Schrank gerissen, wieder hineingefeuert. Im Bad rauschte das
Wasser. Ich hörte Trippeln, Hasten, abgerissene Laute und Seufzer. Einmal
steckte sie den Kopf herein. Ich bemerkte, daß sie das richtige Kleid noch
nicht gefunden hatte.
    »Lieb von dir, daß du ihn eingeladen
hast. Sicher wolltest du mich überraschen!«
    »Sicher.«
    Ich trank einen vierten Schnaps aus dem
Eierbecher und leerte die Bierflasche endgültig. Mir war nicht so wohl, wie
Elsie annahm, aber der Alkohol half ein wenig.
    Dann stieß Elsie einen Schrei aus. Die
Badezimmertür flog mit einem Krach zu.
    Draußen hatte es geklingelt.
    Der Jühl sah gepflegt aus. Mit der
rechten Hand hielt er einen Strauß gelber Nelken vor die Brust, wie ein
Kavallerieleutnant den Degen.
    »Wo ist die Hausfrau?« fragte er. »Ich
bin ganz stark verliebt in
    sie.«
    »Sie lackiert sich die Fingernägel — «
    »Gar nicht wahr!« schrie es aus dem
Badezimmer. »Ich komme gleich, Herr Jüstel.«
    »Sie kommt gleich, Herr Jüstel«, sagte
ich. »Dann haben wir eine halbe Stunde Zeit, um uns über aktuelle Fragen zu
unterhalten.«
    Ich zog ihn herein. Wir stellten die
Nelken in einen kleinen Eimer aus Plastik. Ich nahm einen zweiten Eierbecher
aus dem Schrank und füllte ihn mit Schnaps. Mit dem ersten tat ich das gleiche.
Die Flasche war nicht mehr so voll, als Elsie erschien.
    Jühl gab ihr wieder einen Handkuß. Ich
hob den Eimer mit den Nelken hoch. Elsie hielt die Fingerspitzen steil nach
unten.
    »Es trocknet sehr schnell. Nur ein paar
Minuten —«
    »Eine Dame kommt nicht mit feuchten
Fingernägeln«, sagte ich und legte Tadel in die Stimme. »Und schon gar nicht
läßt sie sich dann die Hand küssen — «
    »Kümmere du dich um dich selbst, Hans
Trubo! Und trink nicht so viel! Wollen Sie noch einen Schnaps, Herr Jüstel?«
    »Nicht wenn mein Autor nicht auch einen
bekömmt.«
    Ich schlug ihm auf die Schulter.
    »Ein braver Mann! Wir müssen diesen
Bestrebungen die geballte Kraft der Gewerkschaft der Filmschaffenden
entgegensetzen!«
    »Dann ballt euch wenigstens im Zimmer
zusammen, ihr Filmschaffenden«, befahl Elsie. »Soll ich die Würstchen warm
machen?«
    »Mach sie warm. Sie haben genug
gefroren.«
    Wir nahmen den Rest des edlen Gesöffs
und genügend Bierflaschen mit und ließen uns am Tisch nieder. Elsie bediente
uns wie eine Krankenschwester. Der Jühl pries die Köchin, die Würstchen und die
Inneneinrichtung.
    »Haben Sie auch eine Wohnung, Herr
Jüstel!«
    Er kaute den Rest seines Würstchens
hinunter und antwortete. »Nein. Bin noch im Untermietstadium. Siebzig Mark,
zehn Mark Heizung, Licht extra — «
    »Bad ‘ne Mark und wenig Damenbesuch«,
ergänzte ich.
    »Genau. Und die Wirtin ist nicht ganz
sicher, ob sie als Mutter, Witwe oder Frau auftreten soll.«
    »Das kenne ich«, sagte ich. »Aber mit
der eigenen Wohnung bringt man es nicht viel weiter. Nicht lange, und Sie haben
selbst ‘ne Untermieterin, die obendrein nicht bezahlt und dauernd saubermachen
will.«
    »Schweig still, Hans Trubo! Du würdest
im Dreck verkommen! Man muß aufpassen! Warum heiraten Sie nicht, Herr Jüstel?«
    »Weil Sie mir erst vor ein paar Tagen
begegnet sind«, erwiderte Herr Jüstel.
    Elsie roch vor Verlegenheit an ihren
Blumen.
    »Sie armer Mensch«, sagte ich, »bleiben
Sie lieber für siebzig Mark bei Ihrer dreigeteilten Wirtin! So billig kriegen
Sie den Ärger nie wieder.«
    Jühl tröstete sie mit bewegten Worten.
    »Ich wohne Knorrstraße 19, Fräulein
Elsie. Wenn er Sie zu sehr ärgert, kommen Sie getrost.«
    Elsie schwor, es beim nächstenmal zu
tun. Wohl!
    »Großartig«, rief ich. »Und nun
entferne die Senfreste, und schaff den Whisky herbei. Zeit ist Geld!«
    Wir tranken das Bier aus und hängten
die Beine über die Sessellehnen, um besser zu verdauen. Draußen klapperte Elsie
mit Gläsern und Eiswürfeln. Ich überlegte mir, was ich in der nächsten
Viertelstunde sagen wollte. Der Whisky kam und rieselte glucksend über das Eis.
Ich nahm mein Glas hoch.
    »Laßt euch die Stimmung

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