Nimm Platz und stirb

daran den Weg kreuzen.
    Die Dame trug ein Cocktailkleid aus
blauem Imprim-Taft mit einem Rock wie ein halb geöffneter Fallschirm. Ein Aquamarin
hätte nicht stärker schimmern können. Das Richtige für einen Farbfilm. Das
gedämpfte Licht in der Bar tat ihrem Gesicht wohler, als es die Scheinwerfer im
Atelier getan hatten, aber das war wohl auch bei meinem der Fall.
    Ich mußte sie ungebührlich lange
angestarrt haben. Sie nahm stolz auf einem der Hocker Platz, ohne uns zu
beachten. Dafür tat es der große Kerl um so mehr. Auch der Jühl neben mir hatte
offenbar den Blick auf den Taft-Engel gerichtet. Der Große beugte ich vor.
Seine Stimme kam tief aus dem Brustkasten.
    »Wenn Se genug gesehn haben, können Se
Ihre Augen wieder geradeaus richten. Der General ist vorbei.«
    Er hob sich auf den Hocker auf der
anderen Seite des Mädchens.
    »Charly, zwei Ballantines!«
    Ich war betroffen und wollte ein
höflicher Mensch sein. Nur die Daiquiris hatten mich in Unternehmungsstimmung
gesetzt.
    »Oh — äh — , entschuldigen Sie
vielmals, Herr! Soll nicht wieder passieren. Soll nicht wieder vorkommen! Ist
nur passiert, weil ich die Dame kenne! Entschuldigen Sie!«
    Ich nuckelte verlegen an meinem Hals.
Der Jühl tat das gleiche. Es half uns nichts.
    Das Mädchen drehte langsam den Kopf.
Ihr Blick war etwa der, mit dem ein Seniorenverkäufer bei Rolls-Royce einen
Mann betrachtet, der in Unterhosen das Geschäft betritt.
    Der Große legte seine Zigarre in den
Aschenbecher. Er kam vom Hocker herunter, genauso langsam wie er ihn bestiegen
hatte. Er stellte sich schräg hinter mich und zog Wülste um seine Augen. Ich
betrachtete ihn freundlich. Noch sah er schläfrig aus wie Robert Mitchum in Wildwestfilmen,
aber man konnte nicht sehen, was wirklich in. ihm steckte.
    »Kennst du den?«
    Ihre Augenbrauen kletterten aufwärts.
    »Nicht, daß ich wüßte!«
    Fabelhaft, wie im Drehbuch. Ich legte
alle meine Unbefangenheit, Folge einer reinen Seele, in meine Worte. Der Jühl
rührte sich nicht. Der Mixer blickte etwas ängstlich.
    »Das kann die Dame auch nicht wissen.
Ich habe sie in einem Film gesehen.«
    Für einen Augenblick wußte der
Fleischkloß nichts zu sagen. Nicht immer ist man von Stars umgeben.
    »Bestimmt«, nickte ich, »vor ein paar
Tagen. Probeaufnahmen. Liefen bei der Sirius-Film. Sehr gut, wirklich.
Außerordentlich.«
    Für das Mädchen gewann ich eine Spur an
Wert. Bei dem Großen schien mein Kurs zu sinken.
    »Was haben Sie damit zu tun?«
    »Nichts Besonderes.« Ich trank etwas
Bier. »Ich arbeite dort, und da sehe ich mir manchmal die Streifen an. Haben
Sie denn Nachricht bekommen, Gnädigste?«
    Sie öffnete den Mund zum zweiten Male.
    »Nein, bis jetzt noch nicht.«
    »Herr Bollmann, Ihr Whisky bitte!«
    Der Mixer schien irgendwas zu
befürchten. Er hatte recht damit. Der Große verzog seinen Mund. Er sah aus, als
suche er einen Spucknapf.
    »Filmfritzen«, knurrte er. »Alles
Idioten!«
    Er drehte sich kurz weg von mir, wälzte
sich auf den Hocker zur Rechten des Mädchens, und goß seinen Ballantine in
einem Zug hinunter. Hoffentlich hatte er genug Geld mit. Neben mir atmete der
Jühl etwas lauter.
    »Herr Bollmann...« sagte Charly.
    Ich war immer noch fröhlich.
    »Der Herr hat vollkommen recht, alles
Idioten.« Ich sah der verhinderten Diva in die Pupillen. »Ich glaube aber, in diesem
Fall haben Sie wirklich Pech. Herr Reinold hätte Sie bestimmt genommen, so wie
ich ihn kannte. Er ist an dem Abend gestorben, während Ihre Aufnahmen liefen.«
    »Aber bestimmt nicht deswegen«, sagte
der Jühl neben mir. Daß er auch das Maul nicht halten konnte.
    »Ich wollte es Ihnen nur sagen...
vielleicht haben Sie es noch nicht...«
    Sie warf den Kopf zurück.
    »Doch«, sie faßte den Ritter um den
Hemdkragen.
    »Ich habe dir’s erzählt, Darling.«
    Darling machte den entscheidenden
Fehler des Abends. Er nickte grimmig.
    »Weiß ich. Nicht schade um den
Burschen.«
    Es ist immer wieder erstaunlich, wie
während des Alkoholgenusses die Stimmung Umschlägen kann. Selbst eineiige
Zwillinge küssen sich erst auf die Wangen und schlagen sich dann leere und
volle Flaschen um die Ohren. Besonders bei Rum. Und im Daiquiri ist allerhand
Rum.
    »Das würde ich aber doch gar nicht von
einem Toten sagen.« Ich krächzte etwas hoch. »Es sei denn, ich wäre ein
ausgemachter Flegel.« ,
    Charly erblaßte. Das Gezirpe des
Pärchens am Tisch verstummte. Der Dicke am Ende des Tresens wachte auf. Langsam
begann ich das ganze