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Nimm Platz und stirb

Nimm Platz und stirb

Titel: Nimm Platz und stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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also.« Wir nickten uns freundlich
zu.
    Ich versuchte eine Parklücke zu finden.
Vergeblich.
    »Müssen um die Ecke rum«, sagte ich.
»Ist sowieso besser, den Schlitten nicht direkt vor den Kneipeneingang zu
stellen. Die Polizei hat es nicht gern, wenn man auf allen vieren rausgekrochen
kommt und das Steuer ergreift mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen.«
    Ich fuhr wieder nach rechts herum. Nach
dreißig Metern fand ich ein Loch. Dann marschierten wir zurück auf die rosa
Wolke zu.
    Es ging über drei flache Steinstufen.
Dann kam eine breite Holztür mit leicht verwitterten Fischgrätenplanken. Der
Jühl drückte sie nach innen. Wir gerieten in einen engen, zellenartigen
Vorraum, in dem es finsterer war als draußen unter Adelens Namenszug.
Gleichzeitig roch es nach staubigem Stoff. Leises Gemurmel drang an mein Ohr.
    Der Jühl bohrte sich nach rechts in die
Falten eines Vorhanges. Er fand den Schlitz in der Mitte. Dahinter war mattes
Licht über Rauchschleiern und alter Luft. Wir standen in Adeles Erholungsheim
für Künstler.
    Als erstes sah ich die Bar, wie es sich
gehörte. Sie lag dem Eingang gegenüber an der rechten Wand und war hoch und
altmodisch. Die Hocker hatten glänzende zerknitterte Lederflächen, und das Holz
der unteren Querstange zeigte die Kratzspuren verschiedener Absätze und
Schuhspitzen. Der Alkohol hinter dem Tresen hätte allerdings gelangt für einen
mittelgroßen Dampfer. Besatzung und blinde Passagiere mit eingeschlossen.
Hinter dem Tresen stand ein grauhaariger Mixer in schwarzen Hosen und weißem
Jackett und einem Kopf wie Maurice Chevalier. Barmädchen waren nicht zu sehen.
Ich schloß daraus, daß man hier noch einen Daiquiri bestellen konnte, ohne dumm
gefragt zu werden, was das denn sei. Auf zwei Hockern hingen ein dicker müder
Mann und ein Mädchen. Sonst war Platz.
    »Nehmen wir hier erst mal einen«, sagte
ich zu dem Jühl. »Dann wird uns schon was einfallen.«
    Wir erklommen die Hocker. Der Mixer
lächelte freundlich an dem Glas vorbei, das er gerade polierte.
    »Meine Herren! Guten Abend!«
    Wir erwiderten seinen Gruß. Ich zog die
Getränkekarte heran. Der Ledereinband glänzte genauso wie die Sitzflächen unter
uns. Die Preise waren auch nicht mehr die der zwanziger Jahre, der goldenen,
aber immerhin konnte man eine Weile trinken, ohne sich beim Hinausgehen dann
die Hosen festhalten zu müssen.
    Der Gedanke von vorhin erleichterte mir
die Wahl.
    »Daiquiri zweimal. Bacardi-Rum bitte!«
    Er lächelte mit Nachsicht. Mit
verbundenen Augen hätte er genauso schnell gearbeitet.
    »Gibt’s auch Bier?«
    Er nickte mit schwerem Haupt. »Weil Sie
gewußt haben, was Daiquiri ist.«
    »Mit dem kann man reden«, sagte ich zum
Jühl.
    Wir nahmen einen Schluck. Dann sah ich
mich um.
    Am linken Ende der Bar ging der Raum
weiter. Ein halbhoher Plüschgang schloß sich an, ausgekleidet wie das Foyer
eines ganz alten Theaters. Kleine Nischen waren darin abgestellt. Nichts
Aufrüttelndes. Solche Buden gab es mehr. Nur von der Plüschbespannung sah man
nichts. Alle Wände, alle Balken waren vollgehängt mit Bildern. Artisten, von
deren Ruhm nichts mehr übrig war als diese Bilder.
    Stolze Sängerinnen, deren Busen mehr
wert gewesen sein mußten als ihre Stimmen. Ein Mädchen, das Step auf Spitzen
tanzte — Jacqueline Mimos. Für ihre Schenkel hätte ich mein Auto weggegeben.
Clowns mit Pappnasen. Süße Valentinotypen mit mehr Pomade als Haaren auf dem
Kopf. Alles voller Widmungen und Grüßen und Dankbarkeit in sämtlichen Sprachen
des Kontinents.
    Mir gegenüber war eins besonders groß.
Zwei Mädchen in einem Riesenrad. Sie zogen eine Kurve mit dem Ding und
lächelten trotzdem noch zwischen ihren Beinen durch. Ich konnte die
Unterschrift lesen. Unserer Mutti Adi. Die Rhönsisters. 13. 9. 29.
    Die gute Adi hatte mehr Lenze gesehen,
als der Jühl und ich zusammen. Er schien sich ebenso für die Bilder zu
interessieren wie ich.
    »Bißchen alt sind sie alle.« Er nippte
ein klein wenig an seinem Daiquiri. »Aber hübsche Kinder drunter.«
    »Hübsch sind sie immer«, antwortete
ich. »Heute wickelt sie Emilio Schuberth aus Sachsen in schräge Tücher, und sie
finden sich noch hübscher.«
    »Und wir müssen sie auswickeln«, sagte
der Jühl.
    »Paß auf, du Lumpenhund«, sagte ich.
»Ich bin älter als du. Muß eher sterben. Dafür will ich du zu dir sagen. Was
dagegen?«
    »Nein.«
    »Daiquiri ist das richtige dafür.«
    Wir tranken umschlungen das Glas aus
und machten den üblichen

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