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Nimm Platz und stirb

Nimm Platz und stirb

Titel: Nimm Platz und stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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über allen anderen. Die ältere Auflage der Tochter, genauso rund und voll
fröhlicher Energie.
    »Hat sie die Gäste auch so schnell
rausgefeuert wie Sie?« fragte der Jühl.
    »Noch schneller! Ihr glaubt nicht, was
hier los ist, wenn man nicht den Daumen drauf hat. Aber alles gute Kerls. Sie
leben von der Vergangenheit und von dem Beifall, den sie früher einmal jeden
Abend gehört haben. Und von den .Schulden, die sie bei mir machen.«
    Charly kam mit dem Whisky. Für die
Tante Cläre hatte er eine Zigarre mitgebracht, vor derem Genuß ich mir die
Hosen hätte zubinden müssen, so lang und schwarz war sie. Sie deutete auf Jühl.
    »Wenn einer Theater macht, hol den
her!«
    Charly versprach es. Wir entzündeten
die Zigarre unserer Wirtin und unsere Zigaretten. Das erste Glas tranken wir
auf die Mama.
    »Es war gut so«, sagte Cläre. »Es ging
nicht mehr. Ewig bestrahlt und viermal operiert. Sie hatte auch keine Lust
mehr. Sie war zu alt für diese Zeit, es war nicht ihre. Sie wollte ihre Ruhe
haben.«
    »Schön, wenn man soweit ist«, sagte
ich. »Ändern geht es wieder zu plötzlich. Stefan der Große hätte sich bestimmt
gern noch länger hier aufgehalten, wie ich ihn kannte.«
    Sie nickte.
    »Glaube ich auch. Manchmal wird man
nicht gefragt. Hat die Polizei schon was gefunden?«
    »Wenn ja, hat sie es schön für sich
behalten.«
    »Jaja, Parksünder anzeigen geht
schneller.« Cläre wippte die Asche von der Spitze ihres Balkens. »Den Reinold
habe ich ewig nicht gesehen. Aber der Valentin Serkoff kam hin und wieder mal
und trank einen Liter Wodka. Junge, konnte der saufen!«
    Die Erinnerung überwältigte sie so, daß
sie nachschenkte.
    »Ein Russe«, sagte der Jühl. »Die haben
einen Zinkeinsatz im Magen und darüber noch eine Schicht Speck.«
    »Haben Sie Reinolds Frau gekannt?«
fragte ich.
    Sie zog an der Zigarre, bewegte
bedächtig den Kopf.
    »Die Vera. Doch ja. Ein gutes Mädchen.
Fünf Jahre ungefähr her, daß sie nicht mehr da war.«
    »So lange sind sie geschieden. Vor ein
paar Tagen hatte ich die Ehre, ihr Stefans Tod bekanntgeben zu dürfen.«
    Ich warf einen Blick zum Jühl.
    »Und nun komme ich zu meiner Frage,
Tante Cläre. Sie hat was erzählt von seiner ersten Frau. War vor dem Krieg zwei
Jahre mit ihm verheiratet. Auch Schauspielerin. Künstlername: Andrea Lacon.
Nach der Trennung Selbstmord mit Gas von den Städtischen Gaswerken. Und Vera
sagte, Ihre Mutter hätte sie gekannt.«
    Cläre sog etwas Whisky zwischen die
Bäckchen.
    »Erste Frau«, sagte sie nachdenklich,
»ich weiß - da war irgend so was — ich habe sie nie gesehen. Lacon. Andrea.
Tja. Eine Woche früher, und Mama hätte euch vielleicht was erzählen können.«
    »Ich komme überall zu spät,« sagte ich.
    Der Jühl fragte:
    »Könnte es sein, daß hier irgendwo ein
Bild von ihr herumhängt? Wo sie doch Schauspielerin war?«‘
    Die gleiche Frage hatte ich auch
stellen wollen.
    Cläre lächelte ihm freundlich zu.
    »Nein, mein Junge. Ich lebe immerhin
nun auch schon zehn Jahre zwischen diesen Bildern. Manchmal träume ich davon,
vor- und rückwärts. Wenn eins da wäre, würde ich es wissen.«
    Ich wußte, wo eins war. Ich zog es aus
meiner Tasche und legte es auf den Tisch.
    »Das ist sie.«
    Cläre saß in der Mitte zwischen uns.
Der Jühl und sie beugten sich so hastig über das Bild, daß sie beinahe mit den
Köpfen zusammengestoßen wären. Es wurde ganz still. Von Cläres Zigarre stieg
ein bläulicher Rauch zur Decke.
    Langsam zog ich mein Glas zu mir. Ich
ließ sie nicht aus den Augen während ich trank und dachte an eine Menge Dinge.
    »Ziemlich schön, was?«
    »Hm«, machte Cläre. »Kann man sagen.
Und traurig. Als hätte sie geahnt, daß es nicht gutgeht.«
    Der Jühl sah mich an. Etwas starr.
    »Wo hast du das her?«
    »Von Vera. Sie hat es noch gehabt, von
Stefan.«
    Seine Augen gingen wieder auf das Bild
hinunter. Er trank einen Schluck.
    Cläre sagte:
    »Nein, habe ich nie gesehen, hier
drinnen. Kein Wunder. Vor dem Krieg war ich selten hier drinnen, und Reinold
wahrscheinlich auch. Ich habe ihn erst hinterher kennengelernt. So fünfzig,
einundfünfzig.«
    Sie nahm das Bild auf.
    »Aber Mama — die hätte es gewußt — ,
sie kann’s euch nicht mehr sagen.«
    Der Jühl sah zu mir hinüber.
    »Wo könnte man was erfahren?«
    »Weiß der Teufel. Einwohnermeldeamt
vielleicht — aber wie sollen die sie finden, wenn keiner den richtigen Namen
weiß?«
    »In Stefans Papieren?«
    Die Jagdleidenschaft schien auch

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