Nimm Platz und stirb
Lokal zu unterhalten.
Für seine Größe war er sehr schnell für
mich. Er stand schon vor mir, ehe ich wieder denken konnte. Seine Hand zerquetschte
meine Revers.
»Sag das noch einmal, Freundchen!«
Auch Drehbuch. Sicher war er oft im
Kino gewesen und hatte meine Filme gesehen. Ich mußte von meinem Hocker
herunter. Ich holte Luft für eine Antwort, aber sie fand nicht ins Freie.
Eine Schulter schob sich zwischen mich
und den Eishockeymann. Der Jühl mit nettem Schauspielerlächeln.
»Ich sag’s Ihnen, Herr Bollmann, ich
hab’s nicht gern, wenn man meinen alten Onkel am Schlips faßt. Wo er doch recht
hat! Sie sind wirklich ein Flegel! Und was für einer!«
Natürlich.
Und ich in der Schußlinie.
Die Faust, die meine Revers
zusammenhielt wie eine Riesensicherheitsnadel, öffnete sich. Meine Jacke kam
wieder frei. Dann ballte der große Herr Bollmann diese Hand erneut zur Faust
und schlug zu. Ich spürte den Luftzug im Gesicht. Hinter meinem Kopf krachte es
satt. Ich drehte mich um und quetschte mich hart an den Tresen.
Der Jühl war auf den Beinen. Irgendwo
hatte er den Schlag gefangen, aber nicht an entscheidender Stelle. Mit leicht
verdrehtem Oberkörper taumelte er ein paar Schritte zurück, bis er stand. Die
Frage war, ob er den nächsten Schlag genauso hinter sich bringen würde. Ich
hoffte es von ganzem Herzen.
Er kam wieder heran. Aufrecht, mit
hängenden Armen. Der Schlips war verrutscht und ein Knopf vom Hemd losgerissen.
Sonst schien noch alles in Ordnung. Nur das Lächeln war weg.
Bollmann grinste und leckte sich die
Lippen. Die Diva hatte sich zu dem Pärchen am Ende zurückgezogen.
»Na, mein Jungchen«, sagte Bollmann
genießerisch, »noch etwas gefällig?«
Der Jühl war jetzt fast so wie vorher.
Diesmal holte Bollmann weiter aus. Die Technik war die gleiche, die Faust auch.
Nur der Jühl war ein anderer. Seine Knie knickten ein, als hätte ihn die Bombe
erwischt. Er wurde blitzschnell um die Hälfte kleiner. Dabei drehte sich sein
Oberkörper nach rechts. Der Arm des Fleischkloßes schoß vor, wie ein Pfahl, und
rammte eine Gasse in die Luft. Bollmann fing seinen eigenen Schwung auf den
Zehenspitzen auf, aber einen Augenblick stand er still, wie das Denkmal vom
Unbekannten Soldaten. Das war ein Augenblick zu lange.
Der Jühl wirbelte aus der halben Hocke
herum, wie eine losgelassene Spiralfeder. Seine rechte Faust krachte in die
Magengrube des starken Gastes, haargenau auf den Ballantine-Whisky — es klang,
als fiele ein Pflasterstein aus dem zweiten Stock in einen Eimer Marmelade. Ich
legte vor Schreck die Hand auf den Magen.
Herrn Bollmanns Mondscheinantlitz wurde
noch fahler. Er öffnete den Mund, hustete japsend. Der Whisky schien in seiner
Speiseröhre nach oben zu klettern. Dann kam Jühl aus der Hocke hoch und mit ihm
seine Linke. Sie klappte die Kinnlade des anderen wieder an seinen Oberkiefer.
Es sah schlecht aus für Herrn Bollmann. Sein Mädchen schien es auch zu
empfinden.
»Darling«, schrie sie, »hör doch auf!«
Darling hatte die Übersicht weitgehend
verloren. Er schlug blindlings einen Halbkreis von oben nach unten, aber wo er
hinschlug, war kein Jühl. Er wischte nur unsere sämtlichen Gläser vom Tisch,
wie das in einer filmüblichen Keilerei so üblich ist. Dann schlug er mit dem
Kinn zu und traf mit aller Gewalt auf Jühls rechte Gerade.
Das war zuviel. Auch sein gestreifter
Zweireiher vermochte ihn nicht mehr aufrecht zu halten. Er fiel nach hinten mit
drei Barhockern polternd um und schlief sofort ein. Die Filmdiva kreischte
etwas. Der Dicke an der Ecke begann mit sächsischem Akzent zu erzählen. Charly,
der Mixer, hing an der Wand an einem Haustelefon und sprudelte aufgeregte Worte
hinein.
Der Jühl sah mich etwas ratlos an. Er
fuhr über sein Haar, rückte den Schlips wieder zurecht. Ich schüttelte den
Kopf.
»Wie du dich immer benimmst!« sagte ich
tadelnd. »Gerade, wo ich mit ihm abrechnen wollte! Komm, heben wir ihn auf!«
Wir entfernten die verfilzten Barhocker
von Herrn Bollmann und setzten ihn aufrecht. Das Mädchen beteiligte sich nicht
an den Rettungsarbeiten. Für sie war er gestorben. Offenbar wollte sie sich nun
lieber dem Jühl anschließen.
Als ich mich aufrichtete, um Charly um
etwas Eiswasser zu bitten, wurde eine schmale Tür neben der Bar aufgerissen.
Eine Dame trat in die Türfüllung und füllte sie aus.
Der Ausdruck vollschlank hätte auf sie
ebensowenig gepaßt wie auf einen Elefanten. Auch ihr schwarzes Kleid
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