Nimmerklug im Knirpsenland
Sie doch, wie hoch die beiden hinaufgeklettert sind“, sagte Schneeglöckchen.
„Dafür fliegen die Knirpseriche mit Luftballons und fahren Auto.“
„Denkste!“ rief Schneeglöckchen und lacht. „Auto fahren wir auch.“
„Haben Sie denn ein Auto?“
„Freilich. Es ist nur entzwei. Wir haben immer wieder versucht, es zu reparieren, aber wir schaffen es nicht. Vielleicht können Sie uns dabei helfen?“ „Selbstverständlich kann ich das“, erwiderte Nimmerklug. „Ich verstehe etwas davon. Wenn Schraubschnell und Schraubstift aus dem Krankenhaus entlassen sind, werde ich ihnen die Sache erklären, und dann reparieren sie das Auto.“
„Das wäre herrlich!“ Schneeglöckchen klatschte in die Hände.
Plötzlich erblickte Nimmerklug ein Naturwunder: Mitten auf der Straße lagen riesengroße grüne Kugeln. Sie waren so hoch wie ein zweistöckiges Haus, vielleicht sogar noch höher.
„Was sind das für Luftballons?“ fragte Nimmerklug erstaunt.
Schneeglöckchen und Blauäuglein fingen an zu lachen.
„Das sind Melonen“, erklärten sie. „Haben Sie noch niemals eine Melone gesehen?“.
„Nein, noch nie“, gestand Nimmerklug. „Bei uns gibt es keine. Wozu dienen sie?“
Schneeglöckchen prustete vor Vergnügen.
„Ein Knirpserich, der nicht weiß, wozu man Melonen braucht! Vielleicht fragen Sie noch, was man mit Äpfeln und Birnen macht.“
„Kann man sie essen?“ fragte Nimmerklug erstaunt. „So ein Riesending bekommt man doch in einem ganzen Jahr nicht auf!“
„Wir essen sie nicht!“, sagte Blauäuglein. „Wir gewinnen aus ihnen süßen Saft. Bohrt man die Melone unten an, so fließt süßer Saft heraus. Eine einzige Melone liefert mehrere Fässer Saft.“ „Wer ist denn auf den Gedanken gekommen, Melonen zu pflanzen?“ forschte Nimmerklug.
„In unserer Stadt wohnt eine sehr kluge Knirpseline.
Sie heißt Strohblonda“, erzählte Blauäuglein. „Ihr Steckenpferd ist Pflanzenzucht. Früher gab es bei uns gar keine Melonen. Da sagte jemand zu Strohblonda, er habe im Wald wilde Melonen gesehen. Im folgenden Herbst unternahm Strohblonda eine Waldexpedition und entdeckte auf einer Waldwiese wilde Melonen. Die Expedition kehrte mit Kernen zurück, und im nächsten Jahr säte Strohblonda sie aus. Die Melonen gediehen prächtig, aber sie waren sauer. Strohblonda untersuchte ihren Saft. Schließlich fand sie eine, deren Saft nicht ganz so sauer war. Ihre Kerne säte sie aus. Von den neuen Melonen schmeckten einige schon fast süß. Strohblonda wählte die süßeste aus und nahm im folgenden Frühjahr ihre Kerne zum Auspflanzen. So machte sie es mehrere Jahre hindurch, bis sie erreicht hatte, daß die Melonen so süß wie Honig waren.“
„Jetzt sind alle begeistert, aber wie haben sie Strohblonda vorher ausgeschimpft!“ fügte Schneeglöckchen hinzu.
„Warum denn?“ fragte Nimmerklug verwundert. „Weil niemand glaubte, daß aus dem sauren Zeug etwas Vernünftiges werden könnte. Außerdem wuchsen die Melonen kreuz und quer durch die ganze Stadt und störten den Verkehr. Häufig rankten sie sich an den Häuserwänden empor. Solange die Frucht klein war, mochte es ja noch angehen, aber allmählich wurde sie dicker, lastete auf der Mauer und drückte sie ein. Einmal wurde so ein ganzes Haus zum Einsturz gebracht. Einige Knirpselinen wollten Strohblonda schließlich verbieten, Melonen zu pflanzen, doch andere traten für sie ein und halfen ihr.“ Inzwischen waren die Wanderer zum Ufer des Flusses gekommen. „Das ist der Melonenfluß“, erklärte Schneeglöckchen. „Sehen Sie nur, wie viele Melonen hier wachsen.“
Über den Fluß führte eine schmale Brücke aus dickem, stabilem Material .
„Diese Brücke haben unsere Knirpselinen gebaut“, sagte Blauäuglein. „Einen ganzen Monat brauchten wir, um sie aus Flachsstengeln zu flechten, und dann halfen uns die Knirpseriche, sie über das Wasser zu spannen.“
„Ach, das war eine Aufregung!“ fiel Schneeglöckchen ein, „Ein Knirps fiel in den Fluß und wäre fast ertrunken.“
Blauäuglein betrat die Brücke und ging zum anderen Ufer. Nimmerklug folgte ihr kühn, blieb aber sogleich stehen, weil er merkte, daß die Brücke unter seinen Füßen schwankte.
„Kommen Sie nur!“ rief Schneeglöckchen. „Oder haben Sie Angst?“
„Durchaus nicht. Ich finde die Brücke bloß so komisch.“
Nimmerklug bückte sich und hielt sich mit den Händen an der Brücke fest. Dabei kicherte er; die Knirpselinen sollten denken, er
Weitere Kostenlose Bücher