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Nimmerklug im Knirpsenland

Nimmerklug im Knirpsenland

Titel: Nimmerklug im Knirpsenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Nossow
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daß der Schriftsteller eine Idee haben muß …“
    „Äh, Ideen!“ unterbrach Hellergeist ihn ungeduldig. „Ihr könnt ja versuchen, euch eine einfallen zu lassen, wenn andere Leute schon vorher sämtliche verfügbaren Ideen gehabt haben. Übernimmt man aber etwas direkt, sozusagen von der Natur, dann bekommt man, was kein Schriftsteller zuvor gehabt hat.“
    „Es wird aber nicht jeder damit einverstanden sein, daß Sie in seiner Stube eine Sprechmaschine aufstellen“, meinte Schraubschnell.
    „Ich mache es ja auch insgeheim“, erwiderte Hellergeist. „Ich besuche jemanden mit dem Phonographen, der, wie Sie sich überzeugen konnten, die Form eines kleinen Koffers besitzt. Beim Weggehen vergesse ich das Köfferchen unter dem Tisch, und später habe ich das Vergnügen zu hören, worüber sich die Gastgeber in meiner Abwesenheit unterhalten haben.“
    „Worüber unterhalten sie sich denn?“ fragte Schraubstift neugierig. „Das ist sehr interessant.“ „Alle meine Erwartungen wurden übertroffen“, bestätigte Hellergeist. „Es stellte sich heraus, daß sie über gar nichts sprechen, sondern in schallendes Gelächter ausbrechen, krähen, bellen, grunzen, miauen.“
    „Erstaunlich“, rief Schraubschnell.
    „Das ist auch meine Meinung“, pflichtete Hellergeist ihm bei. „Wenn man mit ihnen zusammen ist, reden sie vernünftig. Kaum geht man fort, so bricht der Irrsinn aus. Hören Sie sich meine gestrige Aufzeichnung einmal an.“
    Hellergeist drehte eine Platte um, die sich unter dem Deckel des Köfferchens befunden hatte, und drückte auf den Knopf. Zuerst zischte etwas, dann knallte es, als schlüge eine Tür zu. Einen Augenblick herrschte Ruhe, danach brach ohrenbetäubendes Gelächter aus. Einer krähte, ein anderer miaute, ein dritter bellte. Darauf blökte jemand wie ein Schaf. Eine Stimme sagte: „Laßt mich mal, ich mache einen Esel.“ Und er schrie: „I-aa! I-aa.“ Und jetzt wie ein Füllen. I-hü-hü-hü!“ Neues Gelächter.
    „Sehen Sie – das heißt, hören Sie?“ Hellergeist zuckte die Schultern.
    „Ja, davon kann man kaum etwas für einen Roman verwenden“, meinte Schraubschnell nachdenklich. „Soll ich Ihnen ein Geheimnis verraten?“ sagte Kringel zu Hellergeist. „In der Stadt wissen alle schon von dem Phonographen, und wenn Sie fortgegangen sind, schreien sie absichtlich allen möglichen Unsinn hinein.“
    „Weshalb schreien sie denn Unsinn?“
    „Nun, Sie wollten die anderen überlisten, und jetzt hat man Sie überlistet. Man macht sich lustig über Sie.“
    Hellergeist wurde wütend.
    „Meinen Sie! Ich werde den Phonographen unter dem Fenster verstecken. Jetzt sehen Sie sich bitte dies hier an: Was ist das wohl?“ Hellergeist zeigte seinen Gästen ein ungefüges Gerät, das einem zusammengefalteten Zelt, vielleicht auch einem riesengroßen Regenschirm ähnelte. „Wahrscheinlich ein Regenschirm“, vermutete Schraubstift.
    „Nein, kein Regenschirm, sondern ein zusammenklappbarer Schriftstellertisch mit Stuhl“, gab Heilergeist zurück. „Wir wollen einmal annehmen, Sie brauchen eine Waldbeschreibung. Dann gehen Sie in den Wald, klappen den Tisch auf, setzen sich bequem hin und schreiben alles auf, was Sie ringsum erblikken. Nehmen Sie doch zur Probe Platz“, bat er Schraubstift.
    Er drückte auf einen Knopf. Das Ding klappte auseinander und verwandelte sich in ein Tischehen mit Stuhl. Als Schraubstift daran Platz nahm, war er gezwungen, die Beine in der allerunnatürlichsten Weise zu verschränken. „Sie empfinden Behagen“, fuhr Hellergeist fort, „und verspüren sogar eine gewisse Begeisterung. Sie werden zugeben, daß diese Art zu schreiben bequemer ist, als wenn man im Gras oder auf dem nackten Boden sitzen muß.“
    Schraubstift empfand weder Behagen noch Begeisterung. Eher das Gegenteil: Die Beine schliefen ihm ein. Er kroch hinter dem Tisch hervor und fragte: „Sagen Sie, bitte, was für ein Buch haben Sie geschrieben?“
    „Bisher noch kein einziges“, bekannte Hellergeist. „Die Schriftstellerei ist ein komplizierter Beruf. Bevor man Schriftsteller wird, muß man sich das nötige Rüstzeug beschaffen, und das ist, wie Sie sehen, nicht so einfach. Erst mußte ich warten, bis der tragbare Tisch fertig war. Das dauerte Jahre. Dann wartete ich auf die Konstruktion des Phonographen. Sie wissen ja, daß die Handwerker gern alles vertagen. Besonders schlimm ist es mit Druckknopf_ Stellen Sie sich vor: Zweieinhalb Jahre brauchte er für die Erfindung

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