Nimmermehr
dies der einzige Weg war. Deswegen war er hergekommen. Wegen der Kreatur, die des Nachts aus den Gewölben des Kaufhauses kam und die Menschen mit sich nahm.
Er hob den Baseballschläger und trat dem Monstrum entgegen. Wie ein Held, der sein Mädchen vor dem Ungetüm zu beschützen gedachte.
17.
Die Kreatur war stark. Und flink. Sie wich den Schlägen mit dem Baseballschläger geschickt aus. Marten drängte sie in den Aufzug zurück, und während sie einander bekämpften, fuhr die Kabine schließlich in die Tiefe hinab, aus der das Wesen gekommen war. Dort unten befand sich ein Labyrinth aus Lagerräumen und endlosen Gängen, erhellt von flackerndem Neonlicht. Dort würde die Kreatur ihr Ende finden. Marten packte das Scheusal mit aller Kraft und zwang es zu Boden. Stunden mochten es sein, in denen der Recke mit dem Ungetüm rang, doch am Ende obsiegte er gegen die rohe Gewalt der Kreatur. Schaurig gellten des Untiers Wutgeheul und Wutgebrüll durch die Katakomben des Kaufhauses.
Dann floh es kreischend in die Dunkelheit, und Marten blieb zurück, siegreich und doch wissend, dass, was immer sich soeben mit ihm gemessen hatte, bald wiederkehren würde.
18.
Er indes kehrte zurück nach oben in die Geschäftsräume. Das Wutgeheul und Wutgebrüll hatte die anderen zum Aufzug laufen lassen.
Freja war auch bei ihnen.
Als Marten aus dem Aufzug trat, da ging sie ihm entgegen. Ihre langen Haare waren wie Seide.
Sie lächelte.
Und hielt Marten einen Krug mit Met hin. »Der ist für dich«, sagte sie, und der Klang ihrer Stimme ließ den Helden die Stunden in der Finsternis vergessen.
»Danke«, sagte er. Stellte den Baseballschläger gegen die Wand.
Und während er trank, sah er Freja lange in die Augen.
19.
In der kommenden Nacht kroch die Dunkelheit wie eh und je durch die Gänge des Kaufhauses. Jeder, der sich in den unteren Stockwerken aufgehalten hatte, verschwand in jener Nacht.
»Das habe ich befürchtet«, sagte Marten.
Freja, die bei ihm im Aufenthaltsraum war und sich am Automaten eine Suppe gezogen hatte, wirkte beunruhigt. »Was?«, fragte sie ganz bang.
Marten sah sie nur an.
Und sagte: »Das!«
20.
Die anderen Angestellten sahen ihn an, wie Menschen einen Helden anschauen, wenn sie ihn in ihrer Mitte erkennen und dankbar sind, dass er da ist. Flehen und Furcht vereinten sich in ihren Blicken.
»Ich werde nach unten gehen und es unschädlich machen«, versprach Marten und sah sich fragend um: »Wer kommt mit?«
Blicke wurden getauscht.
Nur Freja hob die Hand.
»Du kannst nicht mitkommen«, sagte Marten.
»Warum?«
»Du bist ein Weib.«
Sie lächelte. Trat auf ihn zu. »Dein Weib, Marten. Deines allein.«
Er küsste sie.
Die anderen Angestellten bewunderten die beiden. Niemand war bisher so mutig gewesen, sich dem Unbekannten zu stellen.
»Lass uns gehen«, sagte Marten.
Und Freja, die sein Weib war, folgte ihm.
21.
Stunden um Stunden durchstreiften sie die Katakomben und Lagerhallen des Kaufhauses. Kisten voller Waren türmten sich bis unter die Decken der weiten und mächtigen Hallen aus Stein. Die unterirdischen Höhlen waren einst von Lagerarbeitern in die Erde getrieben worden, damit mehr und mehr Güter dort aufbewahrt werden konnten. Es war ein Kaufhaus, das keinen Anfang und kein Ende hatte. Eine eigene Welt, die ihre Geheimnisse barg.
Marten folgte der Blutspur des Untiers, doch bald schon verlor sich die Fährte in einem Gewirr aus Regalen.
»Wie sollen wir es finden?«, fragte Freja.
»Es wird uns finden«, antwortete Marten.
Er lauschte in die Stille, die eisig kalt war in den Tiefen der Lagerhöhlen. Man konnte förmlich hören, wie das Wasser in den Heizkörpern gefror. Frost lag wie eine weiße Decke über allem.
Dann hörte auch Freja es.
Ein Geräusch, so hell und klar wie Tausende und Abertausende von Eiskristallen, die in der Erinnerung an die alten Zeiten mit gellenden Aufschreien zersplittern.
22.
Beide hielten sie die Baseballschläger bereit.
Sie befanden sich in einer Lagerhalle, die angefüllt war mit seltsamen Gegenständen. Überall funkelte und glitzerte es. Gekrümmte und weißrot geringelte Stangen aus Zuckerwerk säumten die Wände. Schlitten in allen Größen standen zwischen den Regalen, in denen sich Kisten stapelten, die mit buntem Papier umwickelt waren.
»Das sieht schrecklich aus«, entfuhr es Freja. Sie hielt sich die Hände vor den Mund. »Was ist das für ein grässlicher Geruch?«
Marten bückte sich und hob einen Tannenzweig vom Boden
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