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Nimmermehr

Nimmermehr

Titel: Nimmermehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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erklang ein langgezogenes Geheul, welches die Pferde ängstlich scheuen ließ. Das Jaulen wurde zu einem tiefen Knurren, als Vathek den Fuß in das Haus setzte. Mit zitternden Knien folgte ich dem Pascha in die Dunkelheit der Behausung.
    Ähnlich wie in meinem Traum, bemerkte ich rot glühende Augenpaare in der Dunkelheit. Nachdem ich mich an das kümmerliche durch die Tür hereinfallende Licht gewöhnt hatte, erkannte ich mehrere zusammengekauerte Gestalten. Ihre langen fettigen Haare hingen ihnen in die Gesichter, deren Züge zu grausigen Fratzen entstellt waren. Gelbe, scharfe Zähne wurden gefletscht, gefolgt von einem tiefen, bösartigen Knurren. Die Kreaturen, wenngleich einst menschlich (nur wenige von ihnen trugen noch zerrissene Kleidung), glichen in ihrem Verhalten eher wilden oder tollwütigen Hunden. Ruckartig schnellten ihre Körper nach vorn. Eine verzweifelte Drohgebärde, die jedoch kaum verbergen konnte, dass sie sich vor uns fürchteten.
    Vathek ging zu einem der Fenster, das ebenfalls verschlossen war. Mit einer kräftigen Armbewegung riss er die Läden zur Seite, und grelles Sonnenlicht flutete in den einen Teil des Raumes. Ich konnte beobachten, wie diejenigen Kreaturen, die vom Licht getroffen wurden, vor Schmerz aufschrien und sich in Krämpfen am Boden rollten. Ihre schmutzüberzogene Haut wurde in Windeseile von rötlichem Ausschlag bedeckt, der alsbald kleine Bläschen entstehen ließ. Verzweifelt versuchten die Kreaturen, sich in die Dunkelheit zu retten. Nur einer gelang dies. Die anderen Gestalten krümmten sich weiter zu unseren Füßen. Die Haut begann zu eitern, und Blut rann ihnen aus den Augenwinkeln. Es war ein durch und durch erbärmlicher Anblick. Das Knurren wurde zu einem Winseln, und nach wenigen Augenblicken trat Stille ein.
    Ich blickte ins Angesicht des Paschas.
    Vatheks heisere Stimme erklärte mir, dass dies Kreaturen seien, die man in seiner alten Heimat mehr gefürchtet habe als den Zorn des Propheten. Es gab viele Namen für das, was sie waren. Hyänenmenschen – so hatten die Ägypter sie genannt. Vlkoslak werden sie von den Serben genannt. Und die Bewohner des Isten Szek sprechen von den Vrolok.
    Später gab mir Vathek das Buch eines Engländers zu lesen: Kipling. Dort erfuhr ich eine seltsame Geschichte von einem Mann, der König hatte werden wollen und mit seinem Gefährten nach Kafiristan gegangen war. Auch sie trafen auf die Kreaturen, die überall in der Welt zuhause zu sein schienen.
    Doch was sind dies für Kreaturen? Es sind Schatten. Weder Mensch noch Tier. Einen Menschen, dessen Blut von einem Wiedergänger getrunken wird, gelüstet nach kurzer Zeit selbst nach dem Lebenssaft. Doch wird er nicht gleichsam zu einem unserer Art. Ihm fehlt das reine Blut des Wiedergängers. So wird er losziehen und reißen, was ihm anheimfällt. Ob Mensch oder Tier, kümmert ihn nicht. Jene Menschen oder Tiere, die er nicht tötet, werden auch zu einem Schatten. Sie folgen dem Ruf des Blutes. Doch bald schon werden diese Kreaturen krank und schwachsinnig. Sie verwandeln sich in Tiere, werden wild und tobsüchtig. Das Licht des Tages schadet ihnen, und deshalb kommen sie erst in der Dämmerung hervorgekrochen, um zu jagen. Oft erkranken ganze Dörfer. Es breitet sich schnell aus. Doch ebenso schnell sterben die Kreaturen.
    Deshalb, so erklärte mir Vathek, töten die Wiedergänger ihre Beute. Wir laben uns an dem Blut und töten augenblicklich. Nur so kann die Seuche gebannt werden.
    Nur, wen wir für würdig erachten, machen wir zu unseresgleichen.
    Ich hoffe doch, Sie alle verstehen dies als Kompliment.
    Wie dem auch sei – Vathek wurde nicht müde, mir die Notwendigkeit zur Mäßigung vor Augen zu halten. Die Gier musste kontrolliert, der Trieb gebannt werden. Wir dürfen uns nicht dem Blutrausch hingeben. Niemals, so betonte Vathek erneut, habe er erlebt, dass ein neuentstandener Wiedergänger seine Beute derart zerfleischt hatte. Der Kreaturen eingedenk, sah ich natürlich ein, dass dem nicht zu widersprechen war, dass die Regeln zu befolgen waren. Jedoch das Gefühl, welches mich befallen hatte, jener süße Rauschzustand – in diesem Augenblick hätte ich alles dafür getan, ihn erneut zu erleben. Und doch verspürte ich Gewissensbisse. Es war Unrecht. Meiner nicht würdig. Ich würde mich verhalten, wie man es von mir erwartete. Als mir dies bewusst wurde, ärgerte ich mich, und Vathek wurde zum Ziel dieser plötzlichen Aggression. Genauso wie die höfische

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