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Nimmermehr

Nimmermehr

Titel: Nimmermehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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konnte nicht umhin, jenen Aristokraten zu treffen. Dabei war die Antipathie gegen diesen vor sechs Jahren aus dem Exil Zurückgekehrten unverkennbar. Unter dem Befehl des aufrührerischen Kossuth hatte Andrássy 1849 bei Schwechat gegen die kaiserlichen Truppen gekämpft. Er war nach Konstantinopel gereist, um die Türken als Verbündete gegen Österreich zu gewinnen (wenngleich Spötter behaupteten, er habe nur die Geheimnisse des Harems erkunden wollen). Während seines Aufenthalts dort wurde die Revolutionsarmee geschlagen und Andrássy in Abwesenheit wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Statt ihn zu erhängen, musste man sich damit begnügen, seinen Namen an den Galgen zu nageln. Er reiste nach London und später nach Paris, wo der »beau pendu« seine Frau, die Comtesse Katinka Kendeffy, kennenlernte. Mit ihr kehrte er schließlich nach Budapest zurück. Er war Bohemien und Kavalier, ein Märtyrer der Revolution, dem Ämter und Würden nachgetragen wurden. Ohne viel dafür tun zu müssen, wurde er zu einem politisch mächtigen Mann mit ausgezeichneten Kontakten zur liberalen Presse des Landes. Der Kaiser musste ihn akzeptieren, wenn auch mit allergrößtem Widerwillen.
    So kam es, dass sich unsere Wege im Januar des Jahres 1866 zum erstenmal kreuzten. Eine Delegation des ungarischen Landtages reiste mit dem Fürstprimas von Ungarn nach Wien, um mir eine Einladung zu einem Besuch in Budapest und nachträgliche Geburtstagsglückwünsche zu überbringen. Andrássy, der damals Vizepräsident des ungarischen Abgeordnetenhauses war, gehörte dieser Delegation an. Schon am Morgen jenes Tages harrte ich der Audienz. Zu Ehren unserer Gäste trug ich ungarische Nationaltracht und umgab mich ausschließlich mit ungarischen Palastdamen.
    Dann kam der große Augenblick – Gyula Andrássy im goldbestickten Prachtgewand der magyarischen Aristokratie, mit edelsteinbesticktem Mantel, über die Schulter geworfenem Tigerfell und Stiefeln mit Sporen; neben ihm der Fürstprimas und der griechisch-orientalische Bischof. Er wirkte weltmännisch und zugleich zigeunerhaft wild. Es war der Moment der Erkenntnis. Fast schwindelte mir, als ich in die dunklen magischen Augen blickte und die vertraute Stimme hörte. Die Erinnerung an Korfu kehrte mit einem Mal zurück. Dies war also Idas kleines Geheimnis gewesen. Es war ihr Graf, der sich vor mir verbeugte. Graf Gyula Andrássy. Derselbe, der mir von seinem Leben zu kosten gegeben hatte.
    Er brachte mir Glückwünsche dar, und es war des Paschas Stimme, der ich lauschte. Vathek war mit der ungarischen Abordnung nach Wien gekommen, um offiziell der Kaiserin von Österreich-Ungarn vorgestellt zu werden.
    Ich begrüßte ihn in seiner Muttersprache und hielt eine kurze Ansprache, die unsere Gäste mit begeisterten Éljen-Rufen quittierten. Dann, während des sich an die Hoftafel anschließenden Cercles, gelang es uns erstmals, ein längeres Gespräch zu führen. Es waren die Belange Ungarns, von denen er berichtete, und ich gab ihm höchst direkt zu verstehen, dass er in mir eine Fürsprecherin für seine Sache gewonnen hatte. Ich versprach zudem, Budapest baldigst einen Besuch abzustatten.
    Als mich der Kaiser am Abend rügte, weil ihm meine Sympathie für diesen »lächerlichen Attila«, wie er den Grafen zu nennen pflegte, missfiel, entgegnete ich ihm wütend, dass ich das tat, was ich für richtig hielt, und fügte ein trotziges » az már nem é n lennék « hinzu, um mich sodann in meine Gemächer zu begeben.
    Es gab so vieles, worüber ich in Ruhe nachdenken musste. Die Begegnung mit Andrássy hatte alles verändert. Er lebte dieses Leben, kämpfte für die Freiheit eines Landes, das nicht einmal seine Heimat war. Doch hätte mich dies nicht überraschen sollen. Hatte ich nicht selbst mein Herz ans Ungarnland verloren? Wie leicht war mir dies gefallen. Plötzlich fragte ich mich, ob mir das Leben geschenkt worden war, um als Kaiserin jener Sache zu dienen. War ich gerettet worden, um den Prozess des Ausgleichs voranzutreiben? War ich von Andrássy benutzt worden? Ida gab zu bedenken, dass ich allem und jedem gegenüber Misstrauen hegte – und sich der Graf nun in diese Ansammlung nicht vertrauenswürdiger Figuren einzureihen drohte. Dagegen, so Ida, müsse ich ankämpfen. In der Tat wollte ich Andrássy vertrauen. Ich wollte in seinen Absichten keine Selbstsucht erkennen. Kein menschliches Wesen (und obschon ich mein Dasein als Wiedergänger akzeptiert hatte, sah ich mich noch immer

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