Nimue Alban 10 - Der Verrat
Überraschungsmoment auf ihrer Seite. Sahdlyrs Männer waren wie betäubt. Der ursprüngliche Elan, den der ›spontane‹ Aufstand gehabt hatte, war dahin.
Und wenn eine solche Meute erst einmal auseinander bricht, könnte auch Schueler persönlich sie nicht mehr z u sammenbringen!, dachte Sahdlyr dumpf. Wenn sie einmal auseinander bricht, dann bleibt sie für alle Zeiten ein uno r ganisierter Haufen, und dann …
Eine fünfte Salve dröhnte, und dann kam ein Laut, der Sahdlyr völlig entsetzte: das unverkennbare, schrille Geheul der Imperial Charisian Marines.
Nein! Als wollte er die Realität leugnen, schüttelte Sahdlyr den Kopf. Das können doch unmöglich Marines sein! Die können doch gar nicht hier sein, selbst wenn die Charisianer schon begriffen hätten, was passieren sollte, und …!
Doch es war egal, ob Charisian Marines nun im Herzen von Siddar-Stadt standen oder nicht. Von Bedeutung war jetzt nur, dass die aufgestachelte Menschenmasse, von den tödlichen Salven schon jetzt furchtbar dezimiert, den Kampfschrei der Marines kannten. Und sie wussten, was sie und ihre Gefährten im Charisianischen Viertel schon ang e richtet hatten … und wie die Charisian Marines darauf re a gieren würden.
Panik brach aus. Vierhundertsiebzehn Aufrührer wurden zu Tode getrampelt.
Weniger als der Hälfte der Meute gelang tatsächlich die Flucht.
Bewacht von dreißig Pikenieren, durchquerte Greyghor Stohnar das Tor zum Palast des Reichsverwesers. Auf dem leichenübersäten, von vergossenem Blut glitschigen Pflaster auf dem Platz der Verfassung musste jeder Schritt mit B e dacht gesetzt sein. Bislang hatte man noch nicht einmal d a mit angefangen, die Todesopfer zu zählen. Es mussten me h rere Tausend sein.
Der Reichsverweser ging auf den Kommandeur der g e heimnisvollen Musketiere zu, die in der sprichwörtlichen letzten Sekunde erschienen waren. Erstaunt hob Stohnar die Brauen, als ihm eine schlanke Person entgegenkam. Sie hob eine zierliche Hand und schob die Kapuze ihres schweren Mantels zurück. Greyghor Stohnar schnappte nach Luft. Man hatte ihm diese Frau nie vorgestellt, aber er erkannte sie trotzdem sofort.
»Madame Pahrsahn, wie ich sehe «, sagte er so ruhig, wie er es eben zustande brachte.
»Herr Reichsverweser «, erwiderte sie und deutete eine Verneigung an, ganz wie es ein Soldat getan hätte. Mancher hätte diese Geste Stohnars Rang wegen als geradezu skand a lös knapp und formlos gegeißelt. Doch angesichts der U m stände, unter denen diese Begrüßung stattfand – und weil Stohnar überhaupt noch am Leben war, um in dieser Art und Weise begrüßt zu werden, hatte der Reichsverweser selbst daran wirklich nicht das Geringste auszusetzen.
»Das ist eine Überraschung «, bemerkte er. Glockenhell lachte Madame Pahrsahn auf, als befänden sie beide sich auf einer ihrer viel gerühmten Abendveranstaltungen, nicht auf einem Platz im Herzen der Hauptstadt der Republik, knietief zwischen Leichen.
»Lord Henrai hat Sie gewiss über die meisten meiner A k tivitäten in Kenntnis gesetzt, Mein Lord «, erwiderte sie. »Zumindest über alle, über die er selbst informiert war. « Madame Pahrsahn warf Stohnar ein charmantes Lächeln zu, das die entzückenden Grübchen in ihrem Gesicht betonte. »Allerdings war er offenkundig nicht über alles informiert. «
»Wir wussten sehr wohl, dass Sie eine … bescheidene Anzahl von Musketen erstanden haben, Madame «, gab er zurück. »Aber Sie haben recht: Wir wussten offenkundig nicht genug. Zum Beispiel ist uns entgangen, dass Sie in a l ler Stille Männer im Gebrauch dieser Waffen ausbilden. «
»Na, Waffen zu kaufen und zu besitzen, ohne mit ihnen umgehen zu können, wäre doch ziemlich albern gewesen, finden Sie nicht? « Erneut lächelte Madame Pahrsahn. »Meister Qwentyn hat Ihnen doch gewiss mitgeteilt, dass ich bereits seit Jahren in die Landwirtschaft investiere. Wissen Sie, Mein Lord, es ist schon interessant, wie viel Platz man auf einer großen Farm hat, auf der nicht nur für den Eige n bedarf produziert wird, sondern für den Handel. Da ist sogar genug Platz für fünf oder sechs Charisian Marines im Ruh e stand, die bereit sind, nacheinander mehrere Kompanien auszubilden, ohne dass das jemandem auffällt. Vor allem, wenn man im Laufe der Jahre gewissenhaft darauf achtet, all diejenigen, die eben doch etwas mitbekommen könnten, zu guten Freunden zu machen. Das kann man zum Beispiel schaffen, indem man dafür sorgt, dass die örtlichen Grun d
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