Nimue Alban 10 - Der Verrat
»Bleibt so lange wie möglich im Wasser und folgt mir! «
Selbst in einem stehenden Gewässer wäre es sehr anstrengend gewesen, durch das brusthohe, eiskalte Wasser zu stapfen. Aplyn-Ahrmahk und seine Männer kämpften gegen die Strömung an und kamen nicht sonderlich rasch voran. Verdammt, das dauerte zu lange! Unter Beschuss dehnte sich die Zeit ins scheinbar Unendliche. Dann gelang es jemandem auf einem der anderen Boote, das Feuer zu erwidern – was natürlich die herrliche Möglichkeit schuf, jetzt auch noch von den eigenen Leuten getroffen zu werden! Das Gute – zumindest für Aplyn-Ahrmahk und seine Leute – war, dass mindestens dreimal so viele Kugeln auf die Flussmitte abg e feuert wurden wie auf ihn und seine Leute.
Hektor spürte, dass der Boden unter seinen Füßen weicher wurde, je näher sie dem Ufer kamen. Felsbrocken und Kies waren nun mit deutlich mehr Sand gemischt. Mit zusammengebissenen Zähnen flüsterte Aplyn-Ahrmahk ein Dankgebet, als er endlich besseren Halt auf Grund fand. Er hatte sich das Ziel mehr instinktiv ausgesucht. Doch nun wusste er, dass sein Instinkt ihn nicht im Stich gelassen hatte. Seine Man n schaft und er erreichten das Ufer bei einem großen, umg e stürzten Zapfenbaumstamm, der ihnen ausreichend Deckung bot.
Kurz zögerte Aplyn-Ahrmahk und blickte sich um, ve r gewisserte sich, dass seine Leute immer noch hinter ihm w a ren. Sie waren nur zu zehnt. Hektor fletschte die Zähne, während die Musketen in der Dunkelheit unablässig feue r ten. Wie Funkelechsen leuchteten die langsam abbrennenden Lunten der Gegner zwischen den Baumstämmen, und der Lieutenant kniff die Augen zusammen.
»Luntenschlösser, Jungs «, erklärte er leise. »Damit findet man diese Dreckskerle ziemlich leicht. Und es klingt so, als hätten die nur normales Pulver. Also werden sie langsam sein. Schleicht euch an und reißt ihnen die Eingeweide raus, verstanden? «
Zur Antwort hörte er mehrstimmiges, leises Knurren. A p lyn - Ahrmahk nickte knapp.
»Und wenn ihr schon dabei seid, heult dazu, als wäret ihr alle gottverdammte Marines! «, sagte er und gestattete sich ein grausames Grinsen. »Und jetzt – mir nach, Jungs ! «
Seine Männer sprangen aus dem Wasser, setzten über den massigen Baumstamm hinweg, nackten Stahl in den Händen. Mit der Rechten umklammerte Aplyn-Ahrmahk das Schwert, in der Linken hielt er ein Enterbeil mit einer gebogenen, spitzen Hiebklinge. Dann erscholl der schrille, heulende Kriegsschrei der Imperial Marines. Das klingt, als wären wir mindestens fünfzig Mann!, schoss es Hektor durch den Kopf. Da, in eben diesem Augenblick, wuchs vor ihnen eine G e stalt aus dem Boden.
Ein Reiter!, dachte Aplyn-Ahrmahk, als er trotz des Zwi e lichts kurz einen Helm erkannte. Der Mann war mit einer Steinschlossmuskete bewaffnet. Also war er wahrscheinlich Dragoner, kein Lanzenreiter oder Husar. Delferahkanische Dragoner jedoch trugen keine Brustpanzer, und das wied e rum bedeutete …
Die Klingen charisianischer Entermesser liefen spitz zu: Als Stoßwaffen waren sie ebenso geeignet wie als Hiebwa f fen. Aplyn-Ahrmahk spürte, wie die Waffe in seiner Hand zitterte, so sehr verkrampften sich die Muskeln seines Ge g ners, als Hektor ihm die Klinge tief in die Brust trieb. Der Dragoner schrie auf, umklammerte mit beiden Händen die Klinge, die ihn gerade durchbohrt hatte. Doch Aplyn-Ahrmahk versetzte dem Sterbenden einen Tritt, riss die Wa f fe zurück und hastete weiter, vorbei an dem Dragoner. Dabei brüllte er, genau wie der ganze Rest seines Trupps, aus Le i beskräften.
Die Dragoner, die den Hinterhalt gelegt hatten, sprangen auf und wandten sich, statt auf den Fluss zu schießen, gegen die Dämonen, die plötzlich mitten unter ihnen aufgetaucht waren. Ihr entsetztes Erstaunen verwandelte sich beinahe augenblicklich in nackte Panik. Weder die Charisianer noch die Delferahkaner kannten die Stärke des Gegners. Aber Überraschung und Panik führen zu keinen sonderlich präz i sen Schätzungen.
Aplyn-Ahrmahk streckte einen weiteren Gegner nieder. Ein dritter Mann stürzte sich verzweifelt auf Hektor, schwang die Muskete wie eine Keule und vergaß in seiner Panik ganz das Schwert an seiner Seite. Der Lieutenant tauchte unter der Muskete hindurch. Für das Entermesser befand sich der Dragoner auf der falschen Seite. Aplyn-Ahrmahk ließ das Enterbeil aufwärtsschnellen, der spitze Dorn der Hiebklinge durchbohrte den Kiefer des Mannes und blieb im Gaumen stecken. In einer
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