Nimue Alban 10 - Der Verrat
ignorierte sie und ließ den Blick weiterwandern.
»Ich «, sagte ein Mann von etwa vierzig Jahren , dessen Kleidung fast nur aus Lumpen bestand. Er hob einen Knü p pel, den er irgendwo auf dem Weg aufgelesen hatte. Dann spie er auf den Boden. »Meine Beine werden ohnehin lan g sam müde! «
Jemand brachte tatsächlich ein Lachen zustande. Andere schauten Byrk verängstigt, aber doch entschlossen an.
»Hier! « Er hielt das Entermesser seines Großvaters einem untersetzten Mann in ebenfalls mitgenommener Kleidung entgegen, dessen Rechte einen geborstenen, blutverkrusteten Baseballschläger umklammerte. Auch der Kasack des Ma n nes war blutverschmiert. Sein eigenes Blut war das ganz o f fensichtlich nicht. Byrk hatte keinen Ahnung, ob dieser Bu r sche mit einem Schwert umgehen konnte. Aber er war ei n deutig entschlossen, es nach Kräften zu versuchen.
Der Mann warf einen Blick auf seinen Baseballschläger. Kurz zögerte er, dann verzog er das Gesicht.
»Danke. « Er ließ den Baseballschläger fallen und griff nach dem Entermesser. Byrk hob die Augenbrauen, als der Fremde zwei oder drei geübte Bewegungen damit vollführte. Ganz offensichtlich wollte er sich an die Waffe gewöhnen. »War zu Hause bei der Bürgerwehr «, erklärte er.
»Gut. Freut mich, Sie kennenzulernen. Byrk Raimahn «, stellte er sich vor. Sein Gegenüber schnaubte.
»Sailys. Sailys Trahskhat «, erwiderte er. Dann blickte er die Straße hinab. Die zornige Meute hatte sich zusammeng e rottet und kam ihnen nun mit großen Schritten entgegen. »Freut mich auch. «
Byrk atmete tief durch und schaute dann seinen kleinen Trupp Unentwegter an. »Eigentlich ist es ganz einfach «, erklärte er. »Wir sorgen dafür, dass sie ein bisschen langsamer werden. «
»Genau «, sagte der Bursche mit dem Knüppel und gestattete sich ein grimmiges Grinsen. »Und wir nehmen so viele von diesen Dreckskerlen mit, wie wir nur können! «
Die anderen stießen ein zustimmendes Knurren aus und drängten sich mitten auf der Straße dichter um Byrk.
Dem schlug das Herz bis zum Hals. Seine Hände waren schweißnass. Er hatte nie geglaubt, in die Schlacht zu ziehen und Feinde zu töten sei ruhmreich, wie es so viele Lieder besangen. Eigentlich gab es nichts, was er jetzt lieber getan hätte, als die Beine in die Hand zu nehmen. Na gut, die Be i ne in die Hand nehmen oder mich übergeben!, gestand er sich ein. Aber beides ging nicht … und dann wurde ihm klar, dass er es selbst dann nicht getan hätte, wenn es eben doch gegangen wäre.
Tief in seinem Herzen regte sich ein nie gekanntes Gefühl – es gesellte sich zu Entsetzen und Entschlossenheit. Zorn und Bitterkeit, die sein Blut bis in die Finger- und Zehe n spitzen hinein erhitzten. Es gab viele Dinge, die Byrk im Leben noch hatte unternehmen wollen. Nun begriff er, dass er nichts davon mehr erleben würde. Aber der unbezähmbare Drang, hier und jetzt weiterzumachen, war noch stärker.
»Abwarten «, hörte er einen Fremden sagen – mit seiner eigenen Stimme, die widernatürlich ruhig klang. Die zusammengerottete Menge kam weiter auf sie zu und beschleuni g te jetzt sogar ihre Schritte. »Lasst die zu uns kommen! Und bleibt so eng zusammen, wie ihr nur könnt! «
»Nicht aufgeben «, grollte der Mann mit dem Knüppel. »Nicht aufgeben, Jungs! «
Die Meute rollte ihnen entgegen, schrie ihren Blutdurst heraus. Die kleine Gruppe Charisianer drängte sich noch enger zusammen. Byrk sah, wie die Siddarmarkianer noch schneller wurden. Jetzt liefen sie auf ihre Feinde zu, und …
»Feuer! «, bellte eine Stimme. Die wütenden Rufe der Meute verwandelten sich in Schreie des Entsetzens, als hi n ter Byrk etwas ohrenbetäubend krachte. Fünfundzwanzig Musketen hatten das Feuer auf die heranstürmenden Aufrü h rer eröffnet. Männer stürzten zu Boden, wanden sich schre i end auf dem Straßenpflaster. Blut spritzte in alle Richtu n gen, als die schweren Kugeln regelrecht Schneisen in die heranstürmende Meute schlugen.
»Zweites Glied – Feuer ! «, bellte die Stimme erneut, und weitere Donnerschläge waren zu hören. Byrk fuhr herum und sah eine Doppelreihe von Männern in Zivilkleidung – die eine Reihe kniete vor der anderen, allesamt mit Gewe h ren ausgerüstet, die Bajonette aufgepflanzt. Rauch quoll aus den Mündungen der stehenden Reihe. Die Reihen der a n greifenden Meute lichteten sich. Die Musketiere waren i m mer noch im Verhältnis von mindestens drei zu eins unterl e gen. Die Kommandostimme aber
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