Nimue Alban 10 - Der Verrat
nachzudenken. Anschließend hatte er sich tatsächlich in den Standby-Modus versetzt und sich das gegönnt, was bei einem Menschen aus Fleisch und Blut ein längeres Nickerchen genannt worden wäre. Schließlich würde hier, viertausend Fuß oberhalb der Schneegrenze, kaum jemand herumspazieren und ihn zufä l lig bemerken, während er ›schlief‹. Darüber hinaus dürfte Cayleb froh sein, dass Merlin endlich die vereinbarte Ruh e phase einlegte.
Jedenfalls würde es nun nicht mehr so leicht für den Ka i ser, ihm, seinem wichtigsten Verbündeten, Vorhaltungen deswegen zu machen, er sei, was diese Auszeiten anging, wortbrüchig geworden.
Merlin Athrawes fand nicht allzu oft Gelegenheit, sich einfach hinzusetzen und in aller Ruhe nachzudenken. Genau deswegen wusste er es sehr zu schätzen, wenn sich eine so l che Gelegenheit unerwarteterweise doch einmal ergab. Auf Safehold fiel er permanent auf und war – im Umfeld des Kaiserpaars zumindest – entschieden zu präsent (außer dann, wenn er ›sich zur Meditation zurückzog ‹, was in jüngster Zeit deutlich häufiger geschah als früher). Wann immer Se i jin Merlin eine Zeit lang der Öffentlichkeit fernblieb, wie kurz es auch währen mochte, tuschelte man gleich, wo er stecken mochte und was er wohl im Schilde führe. Merlin legte sehr viel Wert darauf, genau derlei Spekulationen zu vermeiden.
Doch in diesem Falle war es nun einmal unumgänglich, genau erklären zu können, wie Captain Athrawes nach Ta l kyra gekommen war. Oder genauer gesagt: es war erforde r lich, ihm ein Zeitfenster zu verschaffen, in dem sich diese Reise tatsächlich bewerkstelligen ließe. Natürlich wusste jeder, dass die Wege der Seijins unergründlich waren und dass sie mit einer Geschwindigkeit zu reisen vermochten, die kaum ein Normalsterblicher erreichen konnte. Deswegen konnte man auch davon absehen, sämtliche Details der Reise offenzulegen. Aber auch ein Seijin brauchte zumindest eine gewisse Zeit, um mehr als sechstausend Meilen weit zu re i sen. Aus genau diesem Grund hatte Merlin Tellesberg b e reits vor fünf Fünftagen verlassen.
Einen Großteil der Zeit hatte er in Nimues Höhle ve r bracht, hatte Berichte durchgeschaut und mit dem Inneren Kreis über die Ereignisse diskutiert, die schon bald zu g e walttätigen Auseinandersetzungen in der Republik Siddar m ark führen mussten. Er hatte das Propagandamaterial verfe i nert, das Owls Fernsonden nach wie vor über alle drei Ko n tinente verteilten, hatte sich ein wenig mit viel zu lange i g noriertem Lesestoff befasst und sich mit Owl in einige priv a tere Projekte vertieft, um die er sich in letzter Zeit nicht mehr hatte kümmern können.
Vor allem jedoch hatte er zusammen mit der KI die VR-Einheit Klasse II fast schon einsatzbereit gemacht. Owl hatte immer noch nicht die Unterlagen, die für den Bau eines we i teren PICAs erforderlich gewesen wären. Merlin war nicht gerade begeistert von der Vorstellung, sein eigenes Kybern e tik-Gehäuse von einem Computer auseinander nehmen zu lassen, nur damit die KI herausfände, wie er eigentlich fun k tionierte. Doch wenigstens hatte er jetzt für den Notfall e i nen sicheren Aufbewahrungsort für das, was Merlins eigene wie Nimue Albans Persönlichkeit ausmachte und für beider Erinnerungen. Eine VR-Einheit Klasse II war nicht so groß und leistungsfähig wie die gewaltigen Virtual-Reality-Computer der Terra-Föderation, die entwickelt worden w a ren, um die elektronischen Iterationen der Spitzenleute aller zivilen und militärischen Forschungseinrichtungen und En t wicklungsabteilungen zu speichern. Diese Einheit hier besaß einfach nicht genug Speicherplatz und Rechenkapazität, um zwei oder drei Dutzend vollständig voneinander unabhäng i ge Persönlichkeiten in einer detaillierten virtuellen Umg e bung zu unterstützen, die dann von der Realität ununte r scheidbar gewesen wäre (solange man sich innerhalb dieser virtuellen Realität aufhielt, hieß das). Eine VR-Einheit Kla s se II konnte vielleicht drei, bestenfalls vier virtuelle Persö n lichkeiten gleichzeitig aufrechterhalten, sofern jeder einze l nen VP auch noch eine vollständig entwickelte Welt zur Verfügung stehen sollte. Aber für Nimue/ Merlin allein wäre mehr als genug Platz. Wenn es ganz schlimm käme und Se i jin Merlin inoperable würde, könnte Merlin selbst es sich also dort bequem machen. Zudem war ihm noch mindestens eine weitere Verwendungsmöglichkeit eingefallen. Allerdings war sich Merlin wirklich
Weitere Kostenlose Bücher