Nimue Alban 10 - Der Verrat
ist es eine Ehre, hier sein zu dürfen, Herr Doktor. « Wylsynn ergriff die ihm dargebotene Hand. Mahklyn betrachtete aufmerksam das Mienenspiel seines jüngeren Gegenübers. Dieser prüfende Blick entging auch Wylsynn nicht. Doch er erwiderte ihn nur ruhig und gelassen. »Ich habe mein Amt viel zu lange schleifen lassen «, fuhr er fort, »aber hin und wieder braucht man eben auch Zeit für andere Dinge. Einen Rückzugsort, an dem man dazu kommt, so manche Dinge gründlich zu durchdenken und wieder ganz zu sich zu finden, könnte man wohl sagen. «
»Das verstehe ich voll und ganz, Pater. Bitte, nehmen Sie doch Platz! «
Mahklyn führte Wylsynn zu einem Sessel, der mit weit e ren Sitzgelegenheiten vor einem der großen Fenster stand. Gast und Gastgeber setzten sich, während Bowave ein Ta b lett auf den Tisch stellte, der die Sitzgruppe vervollständigte. Auf diesem Tablett standen zwei hohe, filigrane Gläser und eine Kristallkaraffe. Ihr Inhalt war so kalt, dass das Glas b e schlagen war. Wylsynn hob die Augenbrauen, als er die K a raffe betrachtete.
»Ein wahrhaft sündiger Luxus, Pater, ich weiß «, gestand Mahklyn und gestattete sich ein schiefes Grinsen. »Jahrzeh n telang war ich ganz und gar zufrieden, ein angemessen ask e tisches Leben zu führen, wie es sich für einen Gelehrten geziemt – damals, als es noch die alte Hochschule unmittelbar am Hafenbecken gab. Aber dann ist sie ja bis auf die Grundmauern niedergebrannt, und Seine Majestät bestand darauf, dass wir in den Palast ziehen. Damals wusste ich noch nicht, dass das nur der erste Schritt war, meinen undurchdringl i chen Panzer der Enthaltsamkeit unwiederbringlich zum Bersten zu bringen. «
Er füllte die kalte Limonade in die Gläser. Melodisch klirrten in der Karaffe Eisstückchen – ja, wirklich! Echtes Eis, wie Wylsynn jetzt bemerkte.
»Seine Majestät besteht darauf, dass wir seine Gas t freund s chaft nutzen «, fuhr der Doktor fort und reichte se i nem Gast eines der Gläser. »Dazu gehören auch die A n nehmlichkeiten des Königlichen Kühlhauses. Ich versichere Ihnen, ich habe mich wirklich bemüht, mannhaft den Ve r führungen jenes sündigen Luxus zu widerstehen! Aber dann hat Eydyth, meine kleine Enkelin, von diesem Kühlhaus e r fahren, und ab da war es um mich geschehen. Endgültig, wirklich und wahrhaftig! «
Wylsynn lachte und nahm das Glas entgegen. Würdevoll nippte er daran. In seiner kühlen Heimat im Norden waren Kühlhäuser und Eis deutlich leichter zu finden als hier im sonnenverwöhnten Charis. Auf den höchsten Bergen von Charis gab es zwar durchaus Eis, selbst im Sommer. Aber dieses Eis von dort ins Tal zu holen war schon deutlich schwieriger. Selbst im tiefsten Winter froren die Seen nicht zu, an denen man sich mit Eisblöcken hätte bedienen kö n nen. Das machte Eis in Tellesberg zu einem nachgerade a n stößig kostbaren Luxusgut.
»Haben Sie sonst noch einen Wunsch, Herr Doktor? «, erkundigte sich Bowave höflich. Mahklyn schüttelte den Kopf.
»Nein, danke, Dairak. Ich denke, der Pater und ich we r den bestens allein zurechtkommen. Sollte ich doch noch e t was brauchen, rufe ich Sie, versprochen! «
»Sehr wohl! « Bowave bedachte Mahklyn mit einer ang e deuteten Verbeugung. Dann verneigte er sich deutlich för m licher vor Wylsynn. »Pater Paityr «, verabschiedete er sich. Er zog sich zurück und schloss die Tür hinter sich.
»Wirklich köstlich «, lobte Wylsynn und nahm noch einen Schluck von der Limonade. »Ich weiß das Eis wirklich zu schätzen. Aber es ist einfach viel zu teuer, um es an jema n den wie mich zu verschwenden. «
»Genau das habe ich Eydyth auch gesagt, als sie seinerzeit das Kühlhaus entdeckt hat «, gab Mahklyn nüchtern zurück.
»Bedauerlicherweise war der junge Zhan zu diesem Zei t punkt in der Nähe. « Er verdrehte die Augen. »Ich bin ja der Ansicht, dass Prinzessin Mahrya in den weitaus meisten Fä l len durchaus positiven Einfluss auf ihn hat. Aber allmählich entwickelt der Prinz einen Hang zur Großzügigkeit – vor allem, wenn es die Prinzessin mitbekommt und er meint, sie damit beeindrucken zu können. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Sie lässt sich davon überhaupt nicht beeindr u cken – für derlei Unfug ist sie viel zu sehr die Tochter ihrer Eltern! Aber das hat Prinz Zhan noch nicht verstanden. Gleichzeitig jedoch ist er ein junger Mann, der gerade erst begreift, wie attraktiv seine Verlobte in Wahrheit ist. Als er damals also hörte, wie ich Eydyth
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