Nimue Alban 10 - Der Verrat
Schueleriten, sondern all jene, die unmi t telbar im persönlichen Dienst des Großinquisitors stehen – genau das erhalten, was die Heilige Schrift für sie vorsieht. So wie sie sich dafür entschieden haben, anderen die Gnade zu verwehren, soll sie auch ihnen verwehrt sein! Soldaten und Matrosen können nach wie vor kapitulieren und werden dann so ehrenvoll und human behandelt, wie es ihnen dank ihres Handelns zukommt. Für Inquisitoren gilt das nicht. Verkündet es der ganzen Welt, meine Kinder! Es soll keine Zweifel geben, keine Missverständnisse. Es steht jedem frei, der verderbten, kranken Politik und den Befehlen Zhaspahr Clyntahns zu entsagen. Für bereits begangene Taten soll es Gerichtsverfahren und Urteile geben. Es wird ein Anrecht auf faire Prozesse geben. Für all diejenigen, die ihrer Treue Zhaspahr Clyntahn gegenüber nicht entsagen wollen – die weiterhin bereit sind, ihm bei seinen Morden und Gräuelt a ten zu Diensten zu sein, wird ein anderes Recht gelten. Bei dem einzigen Verfahren, auf das sie ein Anrecht haben, wird es lediglich darum gehen, zweifelsfrei festzustellen, ob sie tatsächlich Diener der Inquisition sind. Und wird festgestellt, dass das der Fall ist, dann gibt es nur ein einziges Urteil. Dieses Urteil ist endgültig und unanfechtbar und wird an Ort und Stelle vollstreckt. Und so sicher wie dieses Urteil an jedem einzelnen Diener der Inquisition vollstreckt werden wird, wird es, wenn die Zeit gekommen ist und es Gottes Wille ist, auch an Zhaspahr Clyntahn persönlich vol l streckt! «
.3.
Sairaihs Schankstube,
Stadt Tellesberg,
Altes Königreich Charis
Ainsail Dahnvahr hatte schon ganz vergessen, wie gut echtes charisianisches Bier schmeckte. Als Ainsail noch jünger g e wesen war, war sein Vater bereit gewesen, den höheren Preis für charisianisches Bier zu zahlen. So hatte Ainsail eine g e wisse Vorliebe dafür entwickelt. Natürlich hatte sich das schlagartig geändert, als sich Rahzhyr Dahnvahrs Heimat, das Königreich Charis, plötzlich gegen Mutter Kirche stellte. Allerdings war sich Ainsail recht sicher, dass sein Vater auch weiterhin das importierte Bier bezahlt hätte, wäre ein solches Vorgehen in den Tempel-Landen nicht so … unve r nünftig gewesen.
Sich das eingestehen zu müssen, beschämte Ainsail. Aber es hatte ja auch keinen Sinn, sich etwas vorzumachen. Sein Vater war, ganz anders als Ainsails Mutter, nicht stark im Glauben. Auch Ainsail selbst zeigte mehr Glaubenseifer. Es hatte Momente gegeben, da vermutete er, tief in seinem He r zen sei sein Vater immer noch in erster Linie Charisianer und erst in zweiter Linie ein Diener Gottes. Das war Grund genug für Scham und Schmerz, wenn der Sohn an den Vater dachte. Zweimal schon hatte Ainsail kurz davor gestanden, einem der Agenten der Inquisition gegenüber zu erwähnen, dass sein Vater nach wie vor mit den Charisianern sympath i siere.
Genau das hätte ich tun sollen!, dachte er nun und starrte trübsinnig in seinen Bierkrug. Gott möge mir vergeben, ich hätt’s wirklich tun sollen! Aber ich habe es einfach nicht übers Herz gebracht.
Er nahm einen weiteren Schluck Bier und versuchte d a mit, den sauren Geschmack, den er bei diesem Gedanken auf der Zunge hatte, hinunterzuspülen. Er hatte Gott und den Erzengel Schueler enttäuscht. Warum, wusste er nicht genau. Ihm war klar, dass seine Mutter seinen Vater immer noch von Herzen liebte, so sehr es Rahzhyr auch an Gottvertrauen mangeln mochte. Nur deswegen hatte Ainsail die Inquisition noch nicht angesprochen. Doch, da war er sich ganz sicher! Und trotzdem …
Erinnerungen kamen hoch. Erinnerungen an eine Zeit, als er noch ein kleiner Junge gewesen war, kein junger Mann, der einen schwachen Vater hatte. Erinnerungen daran, wie er auf den Schultern seines Vaters saß, wie er lachte, als sein Vater ihn kitzelte oder sich mit ihm balgte. Erinnerungen daran, wie sein Vater ihn lehrte, mit Hobel, Kapp- und Ge h rungssäge umzugehen und eine Drehbank zu benutzen. Eri n nerungen daran, wie Rahzhyr Dahnvahr für Ainsail der grö ß te, stärkste, klügste und bestaussehende Mann der ganzen Welt gewesen war. Mit diesen Erinnerungen kehrte das Gr ü beln darüber zurück, warum er versagt hatte. Nicht die Li e be, die seine Mutter für seinen Vater empfand, war es, die ihn hatte schwach werden lassen und verhinderte, das er tat, wovon er wusste, dass es getan werden musste.
Nun, kein Sterblicher war fehlerlos, nicht sein Vater, und ganz gewiss auch nicht Ainsail
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