Nimue Alban 10 - Der Verrat
von Sanftmut.
»Die heutige Lesung lehrt uns, wer derart handelt, ›der ist dem Herrn ein Gräuel. Jeder Mann möge seine Hand gegen ihn erheben. Was er sät, das soll er ernten, und die Gnade, die er anderen verwehrt, soll auch ihm verwehrt sein.‹ « Nun klang die Stimme des Erzbischofs hart wie Stahl, und sein Blick wurde noch unnachgiebiger. »Die Kirche von Charis lässt nicht foltern; sie lässt nicht morden; sie richtet keine Blutbäder an – nicht im Namen Gottes, geschweige denn im Namen verderbten, eitlen Ehrgeizes! Das Kaiserreich Charis wird nicht blindlings Zurückschlagen; es wird nicht den w i derwilligen Diener mit dem verdorbenen, verabscheuung s würdigen Herrn verwechseln. Zweifellos wird eines Tages, zur rechten Zeit, auch für König Rahnyld der Tag der A b rechnung kommen. Aber Rahnyld ist bedeutungslos. Er ist ein Nichts. Er ist nur ein Diener, ein Sklave seiner Herren in Zion. Und wir wissen, wer unsere wahren Feinde sind. Wir wissen, wer hinter diesem Verbrechen steckt. Wir kennen das kranke, verderbte Denken der verdorbenen Seele, die all das befohlen hat. Wir wissen, wessen Hand in Wahrheit mit Blut besudelt ist, und wir werden es nicht vergessen. Wir werden es niemals vergessen … und wir werden den wah r haft Schuldigen zur Rechenschaft ziehen! «
Dieses Versprechen schien in der Kathedrale widerzuha l len wie das Klirren von Stahl auf Stahl. Erneut blickte sich Staynair im Gotteshaus um. Er spürte, dass die völlige Stille dort von schierem Entsetzen gespeist wurde.
»Ich habe über diese Angelegenheit bereits mit Kaiser Cayleb und Kaiserin Sharleyan gesprochen «, fuhr er leise und tonlos fort. »Von Anfang an habe ich darauf gedrängt, dass wir es der Krone überlassen, für Gerechtigkeit zu so r gen, und dazu dränge ich auch euch jetzt . Ich flehe euch an, euch alle, als Kinder Gottes, nicht auf Rache zu sinnen. Jene Tempelgetreuen, die im Kaiserreich leben, hatten damit nicht das Geringste zu tun. Die überwiegende Mehrheit aller Tempelgetreuen, die in Dohlar leben, hatten damit nichts zu tun. Was hier geschehen ist, erfolgte nicht aufgrund von B e fehlen der dohlaranischen Flotte oder der dohlaranischen Armee, sondern aufgrund von Befehlen der Inquisition und jenes unaussprechlich verdorbenen Subjekts, jenes Mannes, der mit jedem Atemzug die Vikarsgewänder besudelt, die er trägt. Und weil das so ist, werden weder das Kaiserreich Charis noch die Kirche von Charis Unschuldige angreifen, die keine andere Wahl hatten als jenen verderbten Befehlen Folge zu leisten. «
Der Erzbischof richtete sich zu seiner ganzen, recht b e achtlichen Körpergröße auf, und nun grollte seine Stimme wie Donner.
»Zweifellos wird es jene geben, die sich dafür ausspr e chen, Vergeltung an der ungleich größeren Zahl Gefangener zu üben, die sich im Kaiserreich aufhalten. Die meinen, wir sollten die Könige und Fürsten, die sich uns im Dienste der ›Vierer-Gruppe‹ entgegenstellen, unmissverständlich wissen lassen, dass wir bereit sind, deren Soldaten und Matrosen, die vor uns kapituliert haben, in genau der gleichen Weise zu behandeln. Aber wir sind aufgefordert, das Schwert der G e rechtigkeit zu führen, meine Kinder, nicht das Schwert blindwütiger Rache! Euer Kaiser und eure Kaiserin werden sich nicht entehren oder die Ehre all jener beflecken, die in unserer Flotte, bei der Marineinfanterie und der Armee Dienst tun. Sie werden keine Menschen ermorden lassen, die nichts anderes getan haben, als die Befehle ihrer Offiziere zu befolgen und ehrenhaft und offen auf dem Schlachtfeld zu kämpfen.
Aber, meine Kinder – aber! – die Inquisition hat unter Beweis gestellt, dass sie der Feind der ganzen Menschheit ist. Was auch immer sie einst gewesen sein mag, nun ist sie Männern wie Zhaspahr Clyntahn in die Hände gefallen – Männern, die das einst heilige Amt derart entstellt und mis s braucht und besudelt haben, dass es möglicherweise niemals wieder reingewaschen werden kann. Die Inquisition ist nicht mehr ein Werkzeug Gottes, sondern Sein Feind. Gott hat dem Menschen den freien Willen geschenkt und die Freiheit, für sich selbst zu entscheiden. Die Diener der Inquisition haben sich für die Finsternis entschieden!
So sei es! ›Was er sät, das soll er ernten, und die Gnade, die er anderen verwehrt, soll auch ihm verwehrt sein.‹ Es wird keine Folterungen geben, aber auch keine Gnade. Von diesem Tage an werden alle Inquisitoren – nicht alle Inte n danten, nicht alle
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