Nimue Alban 10 - Der Verrat
mittlerweile zu verängstigt sind, um jemandem zu vertrauen. So lässt sich wahrlich keine Wide r standsbewegung aufbauen!
Außerdem, so rief er sich ins Gedächtnis zurück, hatte es ja durchaus charisianische Tempelgetreue gegeben, die es gewagt hatten, die Hand gegen den ketzerischen, exkomm u nizierten König und seine ebenso abtrünnige Braut zu erh e ben. Diesen Dreckskerl Staynair hätten sie sogar beinahe in seiner eigenen Kathedrale zur Strecke gebracht! Und um ein Haar hätten sie bei Sankt Agtha Sharleyan erwischt. Darüber hinaus gab es da noch jenen Mann, der Ainsails eigenen Auftrag hier überhaupt erst ermöglichte.
»Hier, Herzchen! «, sagte die Schankmaid und schob ihm ein frisches Bier hin. Als kleinen Dank stellte sie ihm noch eine Schale Bratkartoffeln dazu. Dankbar lächelte er sie an und schob sich eine der heißen Kartoffelscheiben in den Mund. Oh ja, wirklich heiß – sogar so heiß, dass er die Hitze rasch mit einem Schluck Bier löschen musste.
»Wunderbar! «, sagte er ihr und nickte begeistert, während er nach Luft hechelte, um Zunge und Lippen zu kühlen. »Sehr heiß, aber wirklich wunderbar! «
»Na, ich hoff mal, das ist nicht das Einzige hier, was Sie so beschreiben würden! «, versetzte sie und blinzelte ihm kokett zu. Dann bahnte sie sich wieder ihren Weg zwischen den Gästen hindurch, die sich trotz der frühen Abendstunden bereits eingefunden hatten. Ainsail wurde das Gefühl nicht los, dass der Hüftschwung der Maid noch ein wenig flotter geworden war.
Lächelnd blickte er ihr hinterher. Schon der nächste Gedanke, der nämlich, wie weit er schon gekommen war, wischte das Lächeln wieder von seinem Gesicht. Bald bin ich da, dachte er, bald!
Obwohl Ainsail es keiner Menschenseele gegenüber j e mals zugegeben hätte, hatte er Bedenken gehabt, als er in seinen Auftrag eingewiesen worden war. Nicht wegen des Auftrags selbst, sondern weil die Vorbereitungen ungemein kompliziert waren, ebenso, wie zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein. Schon die Vorstellung, ganz allein nach Charis zurückzukehren, hatte Unbehagen in Ainsail geweckt. Das strickte Verbot, mit einem derjenigen Kontakt aufzunehmen, die diese Überfahrt erst ermöglicht und ihren Teil zu den Vorbereitungen hier in Charis beigetragen ha t ten, steigerte seine Besorgnis noch. Er musste einfach darauf vertrauen, dass die Leute, die dafür verantwortlich waren, dass er diese Reise antrat, ihren Teil übernahmen und keines der zahlreichen Details übersehen wurde. Die Vorstellung, ein derart komplexes Manöver könne tatsächlich gelingen, war ihm nachgerade absurd erschienen. Doch Erzbischof Wyllym hatte erklärt, die Inquisition ließe schon seit Jah r hunderten vergleichbare Operationen durchführen. Daher besäße man die Erfahrung, auch unter derart extremen B e dingungen (wie der effizienten Spionageabwehr von Charis) erfolgreich operieren zu können.
Sonderlich viele Leute waren in diesen Einsatz ja nun wieder nicht involviert. Es war Ainsail nur anfänglich so erschienen, weil er sich so blindlings auf Fremde verlassen musste. Außerdem hatte niemand, der an dem Einsatz bete i ligt war, gewusst, warum ihm aufgetragen war, zu tun, was er tun sollte. Aber jeder Einzelne hatte genau wie Ainsail selbst, ohne zu zögern, den Befehl ausgeführt. Von dem Moment an, in dem diese Befehle die Stadt Zion verlassen hatten, durfte keiner von ihnen noch Kontakt mit jemandem aufnehmen, der im Dienste von Mutter Kirche stand. Ni e mand konnte irgendwelche konspirativen Gespräche bela u schen oder belastende Schreiben abfangen, einfach weil es keine solchen Gespräche und Schreiben gab. Es gab nur noch Ainsail und seine Gefährten, die sich ebenso wie er selbst freiwillig für diesen Auftrag gemeldet hatten. Soweit Ainsail wusste, waren die Beteiligten einander niemals pe r sönlich begegnet, nicht einmal in Zion. Darüber hinaus gab es nur die äußerst detaillierten Anweisungen, die man den Freiwilligen vor der Abreise aus Zion ausgehändigt hatte.
Als die charisianische Pulvermühle explodiert war, hatte Ainsail angenommen, die gesamte Operation sei damit g e platzt. Er hatte keine Ahnung, mit wem aus den Reihen der Charisian Navy die Inquisition in Kontakt stand. Doch es war ganz offenkundig, dass es einen solchen Kontaktmann gegeben haben musste. Als Ainsail von der Explosion erfa h ren hatte, hatte er sich noch in Emerald befunden. Er hatte auf die Brigg gewartet, auf der er den letzten Abschnitt se i ner
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