Nimue Alban 10 - Der Verrat
Gitterstäbe, schloss die Augen und spü r te, wie ihm die Tränen über die Wangen strömten. Mittle r weile schämte er sich nicht mehr für diese als unmännlich geltende Gefühlsregung. Denn derlei Überlegungen waren so unwichtig im Vergleich zu dem, was wirklich von Bede u tung war.
Die Inquisition wollte sie alle brechen, aber vor allem ihn persönlich, und das wusste er. Der charisianische Admiral – Kaiser Caylebs Flaggkommandant vor der Felsnadel, am Klippenhaken und im Darcos-Sund – sollte seine Ketzerei bekennen. Er sollte seinen Kaiser bezichtigen, ein Anbeter Shan-weis zu sein, sollte ihn einen Lügner und Gottesläst e rer schimpfen. Manthyr sollte erklären, die Kirche von Ch a ris sei eine verderbte, abtrünnige Verkehrung von Gottes Kirche. Genau das wollten sie, so sehr, dass Manthyr es förmlich schmecken konnte. Und so folterten sie die Mä n ner, die einst unter dem Kommando des Admirals gestanden hatten, noch schlimmer als ihn selbst. Wie einen Pflock tri e ben sie seine Verantwortung jenen Untergebenen gegenüber und seine Unfähigkeit, das Geringste für sie zu tun, gerad e wegs in sein Herz und seine Seele hinein. Sie erwarteten, ihn auf diese Weise letztendlich zu brechen.
Doch da haben sie sich verrechnet!, dachte Sir Gwylym Manthyr. Nun öffnete er wieder die Augen und starrte die Steinwand an, die seiner Zelle gegenüberlag. Selbst die I n quisition konnte sich verrechnen. Ihn würden sie nicht br e chen. Nicht jetzt, nicht im nächsten Fünftag, nicht nächstes Jahr – niemals! Und dass sie ihn nicht brechen würden, lag an genau dem, was sie seinen Männern antaten. Männern, die ohnehin gestorben wären, ganz egal, was Sir Gwylym Manthyr vor den Zuschauern ›gestehen‹ oder eben nicht ›g e stehen‹ würde. Männer, die Manthyr nicht hätte retten kö n nen, ganz egal, was er täte. Die Pflichten, die er seinem Ka i ser gegenüber zu erfüllen hatte, sein Vertrauen auf Gott, die Treue zu seiner Kirche – das alles zählte, selbst hier und jetzt. Sie waren immer noch Teil seiner selbst. Liebe und Hass ließen ihn durchhalten. Besonders der glühende, alles zermalmende Hass: Dieser Hass loderte noch ungleich he i ßer um all dessentwillen, was nicht nur ihm, sondern vor allem seinen Männern angetan wurde. Die Inquisition konnte Sir Gwylym Manthyr töten, sie konnte ihn zum Schreien bringen – das hatten die Inquisitoren schon getan, und sie würden es wieder und wieder tun. Aber sie konnten ihn ni e mals brechen.
»Auf die Beine! «, fauchte jemand, und eine geflochtene Peitsche schnellte zwischen den Gitterstäben hindurch und traf Manthyr an der Brust.
Sein Kopf zuckte empor, und er wuchtete sich schwerfä l lig hoch. Dabei musste er sich mit dem Rücken gegen die raue Steinwand lehnen, um nicht das Gleichgewicht zu ve r lieren. Manthyr schrie nicht auf, er verbiss sich sogar jeden Fluch. Er bedachte den Inquisitor vor seiner Zelle nur durch das Gitter hindurch mit einem finsteren Blick. Den Namen des Mannes kannte er nicht. Für Manthyr hatte keiner dieser Inquisitoren einen Namen. Doch dieser Mann trug den R u binring eines Weihbischofs, und sein purpurner Habit war grün und weiß abgesetzt.
Der Bischof verschränkte die Hände hinter dem Rücken und blickte den nackten, von Wunden und Brandmalen gezeichneten, gemarterten Mann in der Zelle an.
»Ihr seid ein sehr störrischer Haufen, was? «, fragte er schließlich. »Und auch sehr dumm. « Er schüttelte den Kopf. »Mittlerweile muss euch doch klar sein, dass nicht einmal Shan-wei selbst euch noch vor Gottes reinigendem Feuer retten kann. Vielleicht habt ihr Gott so sehr aus dem Blick ve r loren, dass ihr euch selbst jetzt noch weigert, euch ihm wi e der zuzuwenden. Aber warum haltet ihr euch an der Dirne fest, die euch im Stich gelassen hat, so wie sie jeden, der ihr dient, im Stich lässt? Beichtet eure Sünden, dann bleibt euch wenigstens der Rest der peinlichen Befragung erspart! «
Einen Moment lang blickte Manthyr ihn nur schweigend an, dann spie er aus. Der Speichel traf den Bischof auf die rechte Wange. Langsam hob der Mann die Hand und wischte den Speichel ab. Seine Beherrschung hatte etwas unau s sprechlich Boshaftes, noch betont dadurch, dass er nicht einmal das Gesicht verzog. Das verhieß, dass jegliche Gra u samkeit, die er an den Gefangenen verüben ließ, sorgfältig bemessen war.
Hier war kein blindwütiger Zorn am Werk, der vielleicht außer Kontrolle geriete und es den Opfern so gestatten
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