Nimue Alban 10 - Der Verrat
Frauen in der Siddarmark nicht davon ab, eigenständig Gegenpropaganda in Umlauf zu bringen. Schlimmer noch: sogar in der Kirche der Siddarmark fasste die Reformistenbewegung mehr und mehr Fuß. Gott allein wusste, wohin das noch führen mochte.
»Bei einem bin ich mir sicher: Die schamlosen Propaga n disten, jene abstoßenden Feinde von Mutter Kirche, die feige nur im Geheimen arbeiten, werden weidlich ausnutzen, dass die feigen Desnairianer vom rechten Glauben abgefallen sind«, fuhr Cayleb fort und blickte dabei ganz besonders go t tesfürchtig drein. »Ich vermute, das wird deutlich größere Auswirkungen haben, als sich Clyntahn oder die Inquisition im Augenblick auch nur vorstellen. Aber mich interessiert mehr, wie sich das für uns auswirkt. « Sein Gesicht war jetzt ernst. »Ich weiß, dass das melodramatisch klingt. Aber mir war schon immer daran gelegen, dass Charis ein echter Z u fluchtsort ist – ein Ort, an dem all jene mit offenen Armen empfangen werden, die vor Intoleranz oder Unterdrückung fliehen. Genau das muss das Fundament all dessen sein, was wir hier zu errichten versuchen – das Fundament für Freiheit und Menschenwürde. Um der Kirche und jemandem wie Clyntahn die Stirn bieten zu können, muss dieses Fundament sehr, sehr fest sein. Es muss tief im Fels verankert sein, tief genug, um jeden Sturm zu überstehen.
Dafür aber müssen die Charisianer sich selbst als Bol l werk der Freiheit begreifen. Unser Volk muss sich neu e r finden und Neuankömmlinge willig aufnehmen. Wir müssen verhindern, dass Flüchtlinge … wie hatte Merlin das noch genannt? Genau: ›gettoisiert‹ werden, so hieß das! Wenn wir nicht wollen, dass die Flüchtlinge nur unter sich bleiben, sondern wirklich Teil unserer Gesellschaft werden und sich auch der Kirche anschließen, müssen wir sie von uns aus als Teil unseres Volkes annehmen. Das Fundament dafür mü s sen wir jetzt legen, ehe wir der ganzen Welt die Wahrheit über Langhorne und die anderen ›Erzengel‹ verkünden. Menschen wie Madame Dynnys oder Pater Paityrs Familie sind der lebende Beweis dafür, dass es wirklich funktioniert: Wir hier in Charis denken so, bei Gott! Ach Nahrmahn, Sie und Gorjah sind ja selbst Beweis genug, dass wir sogar uns e re ehemaligen Feinde willkommen heißen und sie in unsere Gesellschaft eingliedern, ihnen sogar Regierungsverantwo r tung geben! Man muss nur bereit sein, sich Seite an Seite mit uns Machtgierigen wie der ›Vierer-Gruppe‹ entgegenzuste l len! Jetzt haben wir Gelegenheit, genau das Jahras und Kholman anzubieten. Ich werde schon dafür sorgen, dass das richtig angepackt wird! «
Sharleyan nickte und schmiegte sich an ihren Gemahl. Gemeinsam schauten sie zu, wie Alahnah auf Händen und Knien über die Terrasse krabbelte.
»Wir arbeiten daran, Liebster «, sagte sie, »wir arbeiten daran! «
.2.
Grauwyvern-Allee,
Stadt Tellesberg,
Altes Königreich Charis
Doch, doch, wirklich ein hübscher Karren!, dachte Ainsail Dahnvahr. Auch wenn man sich nicht selbst loben darf! Er hatte sehr viel Mühe darauf verwendet, den Wagen genau so zu bauen. Dass er ein geschickter Schreiner und Wagner war, hatte eine wichtige Rolle bei der Planung seines Teils von Operation Rakurai gespielt. Ainsail war sich sicher, dass auch die anderen, die der Großinquisitor für den Rakurai ausgewählt hatte, über besonderes Können verfügten. Dieses Können kam auch bei Erzbischof Wyllyms Planung und den entsprechenden Befehlen zum Tragen. Ainsail wusste das, auch ohne es gesagt bekommen zu haben. Es war gut, nichts zu wissen. Denn was er nicht wusste, konnte er auch nicht preisgeben, nicht einmal unter der Folter, sollte er das U n glück haben, von den Ketzern gefangen genommen zu we r den.
Um bei der Wahrheit zu bleiben, hatte Ainsail bislang noch keinerlei Anzeichen dafür gesehen, dass die Ketzer gelogen hatten: Sie hatten gesagt, sie würden ihre Gefang e nen nicht foltern, und sie taten es nicht. Aber was vor aller Augen geschah, war ja nicht unbedingt das Gleiche wie das, was sich hinter verschlossenen Türen abspielte. Dass die Ketzer derart erfolgreich dabei waren, jegliche Widerstand s bewegung im Keim zu ersticken, ließ darauf schließen, dass sie die Leute irgendwie doch zum Reden brachten. Wie auch immer sie es nun bewerkstelligen mochten, es würde ihnen nichts nutzen, wenn Ainsail über die Informationen, die sie brauchten, gar nicht verfügte. So oder so: das war eh nicht mehr lange von Bedeutung.
»Es wäre viel
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