Nimue Alban 10 - Der Verrat
Wagen, der langsam durch die überfüllte Straße rollte, hing deutlich im Zeitplan zurück. Während die Kutsche näher kam, verzog Ainsail enttäuscht den Mund. Der Wagen wu r de nicht von den Gardisten in den orange-weißen Gewä n dern des Erzbischofs begleitet, wie es sonst immer der Fall gewesen war.
Warum heute?, begehrte er innerlich auf. Warum ausg e rechnet heute? Ist es denn zu viel verlangt, dass dieser Dreckskerl seine eigenen Termine einhält?!
Doch Ainsail verdrängte diesen Gedanken rasch wieder. Gott und Langhorne hatten es so eingerichtet, dass er so weit gekommen war. Sie hatten dafür gesorgt, dass er einen gewissen Erfolg erzielen würde. Das war mehr, als ein Mensch verlangen durfte! Es stand Ainsail einfach nicht zu, sich zu beklagen oder Gott dafür zu schelten, dass ihm nicht noch mehr vergönnt sein würde.
Herr, vergib mir!, betete er, während er das kleine, sor g fältig versteckte Fach in der Seitenwand des Wagens öffnete. Es steht mir nicht zu, meine Weisheit über die Deine zu ste l len. Gewiss gehört das alles zu Deinem Plan. Ich danke Dir dafür, dass ich Teil Deines Werkes sein darf.
Er griff in das Geheimfach und spannte das Steinschloss. Dann umschloss er mit den Fingern den Griff der Pistole und wartete entspannt ab. Es überraschte ihn selbst, dass seine Gelassenheit echt war.
»Wir werden Sie zur Werkstatt bringen müssen, Meister Gahztahn «, sagte der Stellmacher gerade. »Es sieht ganz so aus, als müssten wir …«
Er sprach weiter. Doch Ainsail hörte ihm nicht mehr zu. Er nickte, tat so, als sei er ganz Ohr. Doch seine Aufmer k samkeit galt einer anderen Stimme. Es war die Stimme se i ner Mutter, die zusammen mit einem viel, viel jüngeren Ai n sail den Katechismus rezitierte. In der Küche saß der kleine Ainsail auf ihrem Schoß. Und dann war da die Stimme Er z bischof Wyllyms und noch andere Stimmen. Sie alle waren hier bei ihm, gaben ihm Kraft. Ainsail lauschte ihnen, nahm sie ganz in sich auf, und als die Kutsche noch näher kam, lächelte Ainsail Dahnvahr selig und drückte ab.
.3.
Königlicher Palast und Domplatz,
Stadt Tellesberg,
Altes Königreich Charis
Stadt Eraystor,
Fürstentum Emerald
»Ich bin gekommen, so schnell ich konnte, Cayleb «, sagte Maikel Staynair, als Edwyrd Seahamper ihn mit steinerner Miene in die Privatgemächer des Kaiserpaars führte. Rasch durchquerte der Erzbischof den Raum und kniete sich neben Sharleyan. Zusammengesunken saß die Kaiserin in einem Sessel, ihre Tochter in den Armen. Tränen liefen ihr über die Wangen.
Cayleb nickte nur knapp, als Staynair tröstend den Arm um Sharleyans Schultern legte. In den Augen des Kaisers standen keine Tränen, nur Wut. Der Erzbischof mühte sich nach Kräften, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn das beunruhigte.
Jeder kann Provokationen nur in einem bestimmten Maße ertragen, bevor er vergisst, dass er nicht ebenso ein U n mensch ist wie seine Gegner, dachte Staynair. Bitte, Cayleb, bitte!, tu das nicht! Atme ganz tief durch! Tu jetzt nichts, was du noch lange, lange Zeit bereuen wirst!
»Wir hätten bessere Sicherheitsvorkehrungen treffen müssen «, meinte der Kaiser rau. »Wir waren viel zu bereche n bar. Die wussten, wo sie Euch und Rayjhis finden würden, Maikel! Genau darum geht es doch hier – und nur aus di e sem Grund haben die das durchziehen können. Die wussten, wo man Euch findet, weil wir zugelassen haben, dass Ihr jedes Mal die gleiche Route zum Palast nehmt! «
»Cayleb …«, setzte Staynair an, doch der Kaiser schnitt ihm das Wort ab.
»Nein, das ist nicht Eure Schuld! « Cayleb warf ihm einen finsteren Blick zu. »Nein, Ihr habt zwar Euren Kutscher oder Eure Eskorte nicht angewiesen, jedes Mal einen anderen Weg zu nehmen, aber das hat eben auch sonst niemand g e tan! Merlin nicht, ich nicht – un d genau das hätten wir tun müssen! Verdammt noch mal, Maikel! Wir wissen doch, dass für Clyntahn Attentate etwas völlig Normales sind. Und im Gegensatz zu Ihnen, Nahrmahn «, sagte er zu dem Fürsten von Emerald, der an diesem Gespräch aus weiter Ferne über sein Com teilnahm, »kümmert es Clyntahn einen feuchten Dreck, wie viele Unschuldige dabei gleich mit in den Tod gerissen werden. Für ihn gibt es gar keine Unschuldigen! Entweder sind das verfluche Ketzer, die es sowieso verdient haben, oder es sind hehre Märtyrer, die Teil von Gottes gr o ßem Plan sind! Auf jeden Fall kann er so viele Menschen umbringen wie er will, natürlich immer schön im
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