Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
fluchen als Reaktion auf die Meldung eines Kundschafters zu wünschen übrig ließ … Aber das eine Wort fasste die Lage doch recht treffend zusammen. Das Leben war einfach ungerecht.
Einen langen Moment saß er nur schweigend da. Sein Blick verlor sich irgendwo in der Ferne, während Mahldyn die neuesten Informationen verarbeitete. Geduldig, aber mit besorgter Miene wartete Lieutenant Zherald Ahtkyn das Ergebnis ab.
Besorgt? Panik wäre angebracht! , dachte Mahldyn grimmig. Der Junge rechnet damit, dass ich wieder einmal ein Wunder vollbringe. Aber hier könnte uns höchstens einer der Erzengel persönlich rausholen!
Aber selbst ihm fiel es hin und wieder schwer, sich eine Frage zu verkneifen: Hatten Priester vom ›Schwert Schuelers‹ und die Laienprediger mit ihren flammenden, aufrührerischen Reden vielleicht doch recht? Welches Elend würde über die Republik hereinbrechen, wenn es nicht gelänge, deren ketzerische Führung zu stürzen? Es gab Momente, da hätte Mahldyn das gern geglaubt. Dann hätte er sich selbst von der undankbaren Pflicht entbinden können, die Autorität der als ketzerisch verdammten Republik aufrechtzuerhalten. Die Vorstellung, den Kampf in dem Wissen aufgeben zu dürfen, das sei es, was Gott von ihm verlange, schien beinahe unwiderstehlich. Bedauerlicherweise war er pflichtbewusst und nahm den Eid ernst, den er einst abgelegt hatte. Zu sehen, welche Gräueltaten jene Männer begangen hatten, die sich selbst als Gotteskrieger bezeichneten, tat ein Übriges: Sie hatten Tod und Zerstörung in all die kleinen Ortschaften gebracht, die sich wie Perlen auf einer Schnur am Ufer des Sankt Alyk und des Seridahn aufreihten: Cheraltyn, Traigair, Evyrtyn … Er war diese zahllosen Beweise für die ›Heiligkeit‹ dieser selbsternannten Gotteskrieger so leid!
Sonderlich dicht besiedelt war die Südmark noch nie gewesen. Allein in der Alten Provinz hatten stets mehr als dreimal so viele Menschen wie in der weitläufigen Südmark gelebt. Gewaltige Landstriche zwischen der Branath-Bergkette und den Schindelbergen waren auch jetzt noch nicht in der Art und Weise für menschliche Siedler vorbereitet, wie es Buch Sondheim und Buch Truscott vorschrieben. Allerdings war die Fläche des nach wie vor ungeweihten Territoriums während der letzten Jahre stetig geschrumpft … bevor dieser Wahnsinn hier ausgebrochen war, hieß das. Vom Sheryl-Seridahn-Kanal abgesehen hatte es dort ohnehin nur erschreckend wenig gegeben, was neue Siedler dazu bewogen hätte, den Golf vom Mathyas hinter sich zu lassen und weiter landeinwärts zu ziehen. Das hatte sich erst geändert, nachdem vor beinahe zwei Jahrhunderten Truppen aus Desnairia in Shiloh einmarschiert waren, damals eine Grenzprovinz der Republik. Eine ganze Reihe erbittert geführter Kriege mit dem Kaiserreich Desnairia war die Folge. Ein Ende fand das Ganze erst, nachdem die Kirche als Pufferzone das Großherzogtum Silkiah begründet hatte.
Dohlar hatte sich bis dato aus diesem Konflikt herausgehalten. Vernünftigerweise. Das schien sich nun zu ändern.
Nach dem Ende der Gefechte zwischen der Republik und Desnairia, also nachdem die Kirche schließlich für Frieden gesorgt hatte, waren mehr und mehr Siddarmarkianer in die Südmark gezogen. Trotzdem gab es dort weder echte Städte noch ernst zu nehmende Ortschaften – auch schon vor den Verheerungen aus jüngster Zeit nicht. Es gab hier vor allem kleine Dörfer, abgelegene Einödhöfe oder Weiler. Es war fast, als hätten sich die Siedler bewusst zurückgezogen, um zu vergessen, wie viel Blut den Boden der Südmark tränkte. Lange Zeit also hatten sich deren Einwohner viel mehr Gedanken über Sondheims und Truscotts Gesetze gemacht als über Spannungen innerhalb der Kirche oder etwaige Konflikte an den Grenzen, an denen doch seit Jahren alles ruhig geblieben war. Über die dohlaranische Grenze hinweg trieb man Handel mit Reskar und mit Thorast; Ehen wurden mit Familien aus Dohlar und aus Silkiah geschlossen, und im Großen und Ganzen gab man sich redlich Mühe, die eigene Familie ganz im Sinne der Heiligen Schrift zu führen.
Und dann hatte mit einem Mal die ganze Welt verrückt gespielt … und nicht einmal die friedliche, verschlafene Südmark blieb davon verschont.
Mahldyn biss die Zähne zusammen, als er unwillkürlich wieder an die Ruinen von Cheraltyn denken musste … und an die verstümmelten Leichen, die sie dort vorgefunden hatten: Kameraden sowie etwa zwei Drittel der zivilen Dorfbevölkerung.
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