Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
diese Leute zu unterschätzen: Es erforderte gewaltigen Mut und ebensolche Entschlossenheit, Stohnar nach diesem entsetzlichen Winter die Treue zu halten. Also dürfte gerade ein Garnisonskommandeur, der dieses Kunststück vollbracht hatte, möglichst große Wirkung erzielen wollen. Nun hatte die Royal Dohlaran Army bislang keine Erfahrungen im Kampf gegen Pikeniere aus der Siddarmark gesammelt. Doch um den Ruf dieser Einheiten wusste auch Byrgair. Im ersten desnairianisch-siddarmarkianischen Krieg hatte die Republik sich noch eine blutige Nase geholt. Mehr als die Hälfte von Shiloh hatten sie dabei verloren und einen großen Teil von Trokhanos. Während der Gefechte hatten sie mehr als doppelt so viele Verluste hinnehmen müssen wie die Desnairianer. Zehn Jahre später, beim zweiten Krieg, hatte die Siddarmark keine Gebiete mehr verloren, aber fast ebenso viele Männer wie beim ersten Waffengang. Dann aber, beim dritten Krieg, hatte die Republik neue Taktiken für die Infanterie ersonnen. Damit schafften sie es, die nächsten fünfzig Jahre lang den Desnairianern immer und immer wieder in den Hintern zu treten – und zwar kräftig. Erst mit dem Einschreiten der Kirche war das zu Ende. Und das war für jeden Oberkommandierenden eines Kavallerieregiments zweifellos ein ernüchternder Gedanke. Schließlich galt die desnairianische Kavallerie gemeinhin – vor allem in Desnairia selbst – als die schlichtweg beste der Welt.
»Wenn die wirklich in Klippenkuppe mitmischen wollen«, sagte Rychtyr grimmig, »sollten wir das unbedingt verhindern. Die Gelegenheit, vier- oder fünftausend Mann von deren Infanterie zu erwischen, idealerweise auf dem offenen Feld, möchte ich beim Schopfe packen!«
»Jawohl, Sir.«
»Die Landstraße wird uns die Arbeit nicht gerade erleichtern.« Mit dem Zeigefinger verfolgte der General die dünne Linie, die die Straße darstellte. Sie führte von Evyrtyn durch Trevyr hindurch bis nach Cheryk. »Und bis zur Feste Sheldyn sind es leider dann auch noch fast einhundert Meilen. Trotzdem würde sich ein Versuch lohnen, sie abzufangen. Auch die sind ja nur auf Schusters Rappen unterwegs.«
»Ich verstehe, Sir.«
Erneut nickte Byrgair, betete dabei aber innerlich inständigst zu Chihiro, Rychtyr möge nicht ihm den Auftrag erteilen, die Ketzer abzufangen. Für desnairianische Begriffe verfügte die Armee von Dohlar über erschreckend wenig Kavalleristen. Weniger als die Hälfte aller Soldaten gehörten zu den berittenen Abteilungen. Byrgairs eigener bescheidener Meinung nach war diese Kavallerie wirklich gut … aber mit desnairianischen Standards konnte sie natürlich nicht mithalten. Angesichts dessen, was Desnairia seinerzeit gegen Pikeniere der Siddarmark auszurichten in der Lage gewesen war, rechnete der Colonel nicht mit einem guten Ende – obwohl er sich nach Kräften bemüht hatte, die Chancen auf einen Sieg zu erhöhen.
Kavallerieregimenter waren die Hochburg von Großgrundbesitzern und Adeligen. Also verfügten zumindest die meisten von ihnen über Geld. Byrgair hatte dafür gesorgt, dass jeder seiner Männer mindestens zwei der neuen Steinschlosspistolen anschaffte – auf eigene Kosten. Darüber hatten sich einige der Männer bitterlich beklagt, aber weniger wegen der (nicht unbeträchtlichen) Kosten, sondern vielmehr, weil diese Waffen als ehrlos galten: Ein angemessen ritterlicher Kampf ließ sich doch nur mit nacktem, kaltem Stahl führen. Aber allzu lange hatten die Männer nicht protestiert. Sie hatten nur zuschauen müssen, wie die eigenen Schützen an ihrer Treffsicherheit arbeiteten. Natürlich konnte man mit Pistolen nicht gegen siddarmarkianische Armbrustschützen oder Musketiere bestehen. Damit blieb ihnen nur eine einzige taktische Möglichkeit: Denn mit Lanze und Säbel gegen ein Geviert von Pikenieren anzustürmen, war nur dann als effizient anzusehen, wenn das Ziel lautete, die anstürmenden Kavalleristen nach Strich und Faden ausweiden zu lassen.
»Sie marschieren mit Ihrem Regiment querfeldein«, entschied Rychtyr und zog mit der Fingerspitze eine Linie über die Landkarte. Die Linie durchschnitt mittig das Dreieck, das die Ortschaften Evyrtyn und Syrk zusammen mit der Feste Sheldyn bildeten. »Entlang dieser Linie hier sollte es zumindest Feldwege geben. Falls das stimmt und diese wirklich in so gutem Zustand sind, wie mir berichtet wurde, dürften Sie und Ihre Männer vor den Ketzern eintreffen. Ich bezweifle allerdings, dass Sie die Ketzer einholen, bevor die
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