Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
Wylfryd Navyz. »Überleben die, erwarten sie ja doch nur die Strafen Schuelers!« In den Augen des Bergführer funkelte es bösartig. Er spie einen großen Klumpen Kaublatt aus. »Wenn Sie mich fragen, ist das hier mehr, als die verdient haben.«
Einen Moment lang blickte Byrgair den Siddarmarkianer schweigend an. Dann atmete er scharf ein und ging zu Bhlakyt hinüber, der neben einem verwundeten Pikenier kniete. Behutsam legte Byrgair dem Priester die Hand auf die Schulter.
»Colonel?« Rasch blickte Bhlakyt auf. »Was gibt es denn? Sind Sie verwundet?«
Lange blickte Byrgair nur schweigend auf den Mann Gottes hinab. Dann schüttelte er den Kopf.
»Nein, Pater«, antwortete er leise.
Nun war es an Bhlakyt, den Befehlshaber schweigend anzublicken. Dann begriff er, worauf sich dieses Nein in Wahrheit bezog. Seine Augen weiteten sich, und sein Mienenspiel verriet, dass er schon zu dem Protest ansetzte, der von einem Pasqualaten zu erwarten stand. Doch Byrgair schüttelte erneut den Kopf.
»Niemand erweist diesen Männern einen Dienst, wenn er ihnen jetzt das Leben rettet, Pater«, sagte er noch leiser und drückte dem Priester sanft die Schulter. »Ich denke, es ist an der Zeit für Pasquales Gnade.« Er blickte Bhlakyt fest in die Augen. »Für sie alle , Pater.«
Kurz blitzte wieder Protest im Blick des Heilers auf. Und das liegt nicht daran, dass Pasquales Gnade nur jenen gewährt werden soll, die ein Heiler nicht mehr zu retten vermag , dachte Byrgair. Der Protest galt aber auch nicht dem Umstand, dass sich Pasquales Gnade wegen all jene Ketzer hier nicht vor der Inquisition verantworten könnten … und dabei lag doch deren einzige Hoffnung auf Erlösung darin, ihre Leiber die Strafen Schuelers erleiden zu lassen.
Nein, der unausgesprochene Protest hatte einen anderen Grund: Pater Zhon konnte sich lebhaft die Konsequenzen für Sir Naythyn Byrgair vorstellen, sollte die Inquisition je erfahren, dass er Pasquales Gnade angeordnet hatte.
Der Priester aber blieb still und neigte zustimmend das Haupt. Dann erhob er sich und rief mit einer kurzen Geste sämtliche Feldschere und Assistenten zu sich. Byrgair beobachtete, wie sie auf die Anweisungen ihres Vorgesetzten reagierten, sah, dass sie alle kurz zu ihm herüberschauten. Doch keiner protestierte. Dann mischten sie sich wieder unter die Siddarmarkianer; ihre Bewegungen wirkten ungleich ruhiger und entschlossener. Byrgair sah, dass tödlich verwundete Pikeniere zu den Priestern in den grünen Soutanen aufblickten. Er sah die Dankbarkeit in den Blicken, sobald die Verwundeten die geweihten Dolche erkannten. Er hörte, wie die Priester die Sterbesakramente von Mutter Kirche spendeten. Sie Exkommunizierten oder deren Dienern zu spenden war ihnen ausdrücklich verboten. Byrgair sah auch, wie Dutzende jener sterbenden Männer noch ein letztes Mal das Zeichen von Langhornes Szepter schlugen, bevor rasiermesserscharfer Stahl ihren Qualen gnädig ein Ende setzte.
Der Colonel wandte sich ab. Er konnte den Anblick nicht mehr ertragen und fragte sich, ob er tatsächlich bereit war, die Konsequenzen dieser Entscheidung zu tragen. Im Augenblick war es ihm beinahe egal. Er war kein Märtyrer; er hegte auch keine Todessehnsucht. Aber diese Männer dort hatten auf seinen Befehl hin gelitten und geblutet, und sie waren, in Gottes Namen, Menschen! Diese Männer hatten es verdient, wie Menschen zu sterben. Es wäre einfach nicht gerecht, sie schreiend und zuckend die Strafen Schuelers erleiden zu lassen, nur um seelenlose, hasserfüllte Männer wie Wylfryd Navyz zufriedenzustellen.
Es mochte der Tag kommen, an dem auch Sir Naythyn Byrgair derart hasserfüllt sein würde. Vielleicht würde auch er es eines Tages kaum noch erwarten können, den Ketzern und den Dienern jener Ketzer den vollen Preis für ihre Verbrechen gegen Gott und ihre Mitmenschen abzuverlangen. Aber das würde nicht hier und nicht jetzt geschehen. Eigentlich hatte Byrgair nur noch einen Wunsch: Wenn auch für ihn die Zeit gekommen wäre, vor die Erzengel zu treten, dann hoffte er inständigst, dass sie sich an diesen Tag erinnerten und ihm seine Entscheidung zugutehielten.
Dreißig Minuten später, zwei Meilen weiter südlich, trat Colonel Vyktyr Mahzyngails 14. Südmark-Milizregiment aus dem dichten Unterholz, von dem die Landstraße gesäumt war … und blickte geradewegs in Captain Marshyl Syrahllas bereits abgeprotzte, schussbereite Geschütze.
.VII.
Malphyra Bay,
Raven’s Land
»Na, das ist doch
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