Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
Rebellen glaubten. Genau wie es Colonel Wyllys vorhergesagt und Styvynsyn selbst gehofft hatte, kamen die Berufssoldaten so deutlich rascher voran als die längst nicht so gut ausgebildeten Rebellen. Es sei denn, die Rebellen würden sich dafür entscheiden, die Formation aufzugeben – und das war doch sehr unwahrscheinlich. Derart dumm waren sie nicht.
Abgesehen davon, ob dieser ganze Plan überhaupt funktionieren konnte, hatte Styvynsyn nur eines Sorgen gemacht: Würde Cahrtair seine Armbrustschützen vorschicken? Diese hinderten weder sperrige Piken noch eine geschlossene Formation daran, hinter dem augenscheinlich flüchtenden Gegner herzusetzen. Sie hätten ihn also durchaus einzuholen vermocht. Doch genau wie der Major gehofft hatte, war Cahrtair dafür zu schlau: Er hatte nicht zulassen wollen, dass seine Schützen zwischen den beiden Pikenier-Fronten festsäßen. Denn kampfwütig, wie er war, wollte er seine Pikeniere nicht erst Halt machen und die Armbrustschützen passieren lassen.
Kann man ihm kaum verdenken , dachte Styvynsyn und begab sich im Laufschritt zusammen mit Zhaksyn zum Randstreifen der Landstraße hinüber. Der muss doch die ganze Zeit über darauf spekulieren, es ganz bis zum Ende der Kluft zu schaffen. Alles, was ihn weiter nach Süden bringt, ist gut für ihn. Und bei einer derart schmalen Frontlinie kann er auch einen Angreifer abwehren, der mit zwei- oder sogar dreimal so vielen Leuten anrückt – auf jeden Fall lange genug, bis seine eigene Verstärkung eintrifft. Also wird er einem Gegner, der Hals über Kopf die Flucht angetreten hat, auf keinen Fall Gelegenheit geben, sich zu sammeln und wieder zu Atem zu kommen.
Styvynsyn selbst hielt es für keine gute Idee, die Rebellen überhaupt so weit nach Süden gelangen zu lassen. Nur hatte Colonel Wyllys nach seiner Meinung nicht gefragt. Wahrscheinlich hätten die Rebellen sie während der nächsten Fünftage ohnehin weiter nach Süden gedrängt.
Major Cahrtair fluchte aus vollem Hals, als der Abstand zwischen den fliehenden Berufssoldaten und seiner eigenen Kompanie immer größer wurde. Tja, wer Fersengeld gibt, ist schneller als die Verfolger. Angst verleiht halt Flügel! Wenigstens sah es nicht so aus, als würden sie sich schon bald wieder sammeln.
Jetzt schien die Landstraße mitten durch einen See zu führen; in Wirklichkeit durchquerte sie eine gewaltige Ebene. In der Ferne waren die halb versunkenen Überreste der Ortschaft Harystn zu erkennen. Cahrtair erinnerte sich, dass die Kluft hier eine recht ausgedehnte Senke aufwies, die von der Landstraße durchschnitten wurde wie von einem Wall. Hier querte sie auch einen der Nebenflüsse des Sylmahn. Normalerweise war der Sylmahn ein nicht sonderlich tiefer, munter gluckernder Bach, zu beiden Seiten von Bäumen gesäumt. Doch die Düker unter der Landstraße waren hier noch dichter verstopft als in anderen Teilen der Kluft: Auf der westlichen Seite der Straße hatte sich Wasser in beachtlicher Menge gestaut. Der Treidelpfad überquerte den Zufluss hier über eine Gerüstbrücke, deren wettergeschwärzte Streben aus der schlammigen Flut herausragten. Die Straße selbst hielt die Flut zurück wie ein Damm.
Die Dritte Kompanie wurde langsamer. Im Eilmarsch (bei einhundertzwanzig Schritt in der Minute – im Gegensatz zur normalen Marschgeschwindigkeit von fünfundsiebzig Schritt) ließ sich selbst auf flachem, gepflasterten Terrain eine Formation nicht unbegrenzt lang aufrechterhalten. Außerdem waren Cahrtairs Männer durch monatelange Entbehrungen geschwächt. Die Ketzer hingegen brachten das Kunststück fertig, das Tempo sogar noch zu erhöhen. Schon sah der Major die Gelegenheit dahinschwinden, sie einzuholen und bis zum letzten Mann aufzureiben. Früher oder später würden die Flüchtenden den nächsten Ketzerstützpunkt erreichen, und dann war die Chance endgültig vertan.
Andererseits ist Panik nun einmal ansteckend. Vielleicht scheuchen die dann den Stützpunkt so sehr auf, dass die Männer dort sich ihnen sofort anschließen. Falls der andere Stützpunkt allerdings die Stellung hält, schaffen es die feigen Kerle vielleicht nicht mehr, rechtzeitig weiterzulaufen, bevor meine Jungs sie einholen. Also: je weiter nach Süden, desto besser! Und falls wir unterwegs anhalten müssen, kommt an uns auf jeden Fall niemand vorbei!
Zufrieden blickte er auf das überflutete Gebiet, betrachtete die Bäume, die sich trotzig aus den Fluten reckten. Hier war die Kluft weniger als zehn
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